Backstage
Vorschläge, und die kamen zu spät, die Firma hatte bereits alles vorbereitet, organisiert. Da braucht es zum Beispiel Drehgenehmigungen.»
«Wessen Mann bist du?»
«Deiner, Tom. Aber nicht exklusiv. Ich verbringe viel Zeit mit dir, und damit sich das auch zukünftig lohnt, brauchen wir die Plattenfirma. So einfach ist das. Und jetzt lass uns schießen, solange das Wetter noch so kooperiert.»
Der Regisseur erklärte langatmig und für Melissa unverständlich, was er vorhatte. Die Siegessäule im Hintergrund, am Vormittag und am Abend das unterschiedliche Licht, Autos, die vorbeifahren, in anderem Tempo später im Video, gleichsam im Zeitraffer, Tom Braun in Echtzeit auf dem Mittelstreifen.
Also Nachtdreh, seufzte Melissa, die sich geschworen hatte, heute vor Mitternacht und nüchtern schlafen zu gehen.
Als Lilli die Karikatur dessen, was sie als das Kranzler vor dem Umbau in Erinnerung hatte, sah, war sie bereit, mit Paula in ein Café in einer der Seitenstraßen des Kurfürstendamms zu fahren. Paula nannte es La Opera. An Tischen und Stühlen, die nicht recht zusammenpassten und aus verschiedenen Nachlässen stammen mochten, wurden üppige Kuchen und pikante italienische Leckereien serviert, italienische Kaffeesorten würzten den Raum mit aromatischem Duft, dazu italienische Opernmelodien, ausschließlich, in einer Lautstärke, die Gespräche zuließ, aber auch schlichtes Zuhören; zwischen zwei Opernausschnitten wagte der Betreiber Stille.
Lilli trug den Fünfzigern Entliehenes, ein helles Kleid mit weit schwingendem Rock und eng anliegender, kurzer Jacke, dazu Schuhe mit hohen Absätzen aus rotem Lackleder.
Aber das Gesicht passte nicht zu dem fröhlichen Stoffmuster, eher zur Tragik einer Tosca. Schlecht geschlafen, viel Alkohol, wenig gegessen, vermutete Paula.
«Hat sich Panitz' Schwester bei Ihnen gemeldet?»
«Monika ist in der Stadt?»
«Ja.»
Lilli faltete ihre Serviette ziehharmonikaartig zusammen, auseinander, wieder zusammen. Die dick ins Gesicht aufgetragene Schminke verbarg kaum die Augenringe.
«Monika. Die hab ich seit Jahren nicht gesehen.»
«Sie kennen sich also.»
«Sie hat Fred aufgezogen. Die Eltern sind bei einem Autounfall gestorben, Fred war sieben, Monika zehn Jahre älter. Sie hat die Vormundschaft bekommen und eine dicke Versicherungsprämie. Später zog sie nach Heidelberg, Panitz und Tom wohnten die erste Zeit bei ihr, bis sie Tom rausgeschmissen hat, weil sie kein Dope mehr im Haus haben wollte.»
«Das war in der Rock-Band-Zeit?»
«Rocker! Sie ließen sich von Monika und Toms Mutter aushalten und auch von mir. Ich wusste nicht, dass Tom sich von seiner Mutter heimlich Geld zustecken ließ, bis der Vater dahinter kam. Es gab einen Familienkrach, und Schluss war es mit Muttern Spargroschen. Aber Tom wohnte schon bei mir, und ich ging arbeiten.»
Lilli trank einen Martini, Paula Kaffee und aß dazu ein mit italienischen Köstlichkeiten belegtes Ciabatta.
«Sie haben keine Kinder?»
«Tom wollte keine Kinder. Er ist das Kind.»
Lillis Lachen klang gequält. Das Puppenhafte war von ihr abgefallen.
«Tom ist ein Kind, manchmal grausam in seiner Gedankenlosigkeit. Und verwöhnt, er musste nie kämpfen, tingelte mit Sicherheitsnetz.»
«Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Zeitungsfotos sehen? Ist das eine dieser Grausamkeiten?»
Die Papierserviette riss ein. Lilli knüllte sie zu einem Ball zusammen.
«Worüber haben Sie sich mit Panitz gestritten?»
Lilli sah Paula irritiert an.
«Sie sagten, Sie seien im Taxi von Tegel zum Haus der Kulturen gefahren. Tatsächlich hat Panitz' Partner ihn am Flughafen abgeholt und Sie und Panitz chauffiert. Teichert berichtet von einer unangenehmen Autofahrt, weil Sie sich mit Panitz heftig gestritten haben.»
«Ich weiß das nicht mehr. Es ist so viel passiert in den letzten Tagen. Panitz hat alles durcheinander gebracht, alles verändert. Tom hat sich nicht mehr an unsere Abmachung gehalten.»
«Welche Abmachung?»
«Wenn man so lange zusammen ist, verändert sich eine Ehe, wird freundschaftlicher», sagte Lilli, als spreche sie einen fremden Text nach. «Es hat mir auch nichts ausgemacht, wenn er auf Tour war und unterwegs rummachte, bumste und dann in die nächste Stadt fuhr. Aber bisher gab es eine Abmachung, und zwar, dass Tom keine Frau zweimal trifft. Das war die Abmachung. Und er hat mir geschworen, dass er sie nicht ... Sie verstehn schon, also dass er sie nicht in die Möse bumst. Nur mit mir richtig bumst.»
Lilli
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