Backstage
Tamara las mit ausdrucksloser Miene, sah fragend auf. Paula erklärte, in welchem Zusammenhang das Geschriebene stand.
«Also ist Lilli Braun sauer, weil ihr Mann jetzt in die Vagina einer Prostituierten eindrang?»
Paula prustete los.
«Es ist nicht einfach, nette Ausdrücke zu finden, was? Vagina. Sind wir beim Arzt? Penetrieren ist auch aus der Kategorie. Was sagst du? Liebe machen, schlafen, ficken, bumsen?»
«Popgen. Heutzutage heißt es poppen.»
«Ihr seid ja gut drauf.» Melissa stand in der Tür.
Schlagartig änderte sich die Atmosphäre.
«Gehen wir rüber», schlug Paula vor. «Diese Energien muss ich in meinem Büro nicht haben.»
Kaffee, Mineralwasser, Saft, die übliche Besprechungs-Ausrüstung. Verklemmt höfliche Handreichungen.
Paula eröffnete schließlich die Besprechung, berichtete zunächst von dem Autounfall im Jahr 77, dann von den Geldüberweisungen an Panitz und schloss mit Lillis Schwangerschaft.
«Der Arzt hat ihr etwas Mildes zur Beruhigung gegeben, sie schlief, als ich ging. Ein Letztes. Teichert gehört das Immobiliengeschäft, Panitz war angestellt. Aber wegen eines verpatzten Deals ...»
«... der noch nicht geplatzt ist, Teichert hat Braun heute das Penthouse gezeigt und trinkt jetzt mit ihm Kaffee», warf Melissa ein.
«Wegen eines verpatzten Deals, wovon Teichert vielleicht zum Zeitpunkt von Brauns und Panitz' Ankunft in Tegel ausgehen musste, bringt man niemanden um, auch nicht, wenn Panitz gekündigt hätte. Teichert würde ihn dann doch in jedem Fall als Mitarbeiter verlieren. Tamara, sieh doch mal, was du über Teicherts Geschäfte herausfindest.»
Tamara setzte sich sehr gerade auf den vorderen Teil des Kissens. Die Frauen hatten sich um den Tisch vor der L-förmigen Couch versammelt.
«Bin ich als Tippse oder Privatdetektivin eingestellt?»
Schweigen, sekundenlang, bleiern.
Entschlossen sagte Paula und sah dabei Tamara an: «Du hast Recht. Das geht nicht, dass wir dich hin- und herschubsen, wie wir es brauchen. Ich schlage vor, du hilfst uns bei dieser Sache und wirst als PD bezahlt, auch wieder auf Honorarbasis. Danach sehen wir weiter.»
«Okay.»
Tamaras Ohren glühten, ansonsten bemühte sie sich um eine Haltung, als sei Paulas Angebot selbstverständlich. Sie hatte sich auf eine Auseinandersetzung eingestellt und sprudelte nun voller ungenutzter Energie.
«Nehmen wir den Unfall. Das Mädchen, vielleicht Brauns damalige Freundin, war schwanger. Gesetzt, er hat sie angefahren und liegen lassen. Gesetzt, Panitz half ihm mit einem Alibi und ließ sich später dafür bezahlen. Dann will er mehr, will einen Job. Es gibt Streit mit Braun in der Garderobe. Betrachten wir Lilli Braun. Sie hat sich auch mit Panitz gestritten. Man muss herausfinden, was sie wusste. Wenn sie in die Fahrerflucht eingeweiht war, erklärt das, warum Braun sich nicht scheiden lässt. Und warum er keine Kinder will, nachdem er eine schwangere Frau getötet hat.»
«Und jetzt ist Lilli schwanger», ergänzte Paula. «Sag mal, Lissa, hast du das Reden verlernt?»
«Kann ich dich mal allein sprechen?»
«Hat das nicht Zeit?»
Melissa druckste.
«Ich wollte gerade ins Bad», erhob sich Tamara und verschwand in Paulas Privatbad, zugänglich nur von ihrem Büro aus, ausschließlich für die Mitarbeiterinnen.
«Schönen Dank, Lissa, hervorragend, wie du zur Betriebsatmosphäre beiträgst», sagte Paula sarkastisch.
«Du entscheidest wohl seit neuestem allein über Personalangelegenheiten?»
«Personalangelegenheiten! Nochmal: Kannst du nicht für dich sprechen? Muss ich dich dazu auffordern, deine Meinung zu sagen, du hast doch sonst 'ne große Klappe. Was ist los mit dir?»
«Gladys und ich hatten heute Nacht einen ungebetenen Besucher. Lass mich ausreden. Wir haben im Garten gesessen, es war spät, es war ruhig. Ein Auto kam näher, der Motor wurde abgestellt, Schritte, ein jaulender Hund. Ich dachte sofort an diesen Detektiv, hab Gladys das Wichtigste zugeflüstert. Sie ging sofort auf die Suche. Ich bin auch los, in die entgegengesetzte Richtung und auf dem Nachbargrundstück in einen aufgeschlitzten Hund getreten.»
Paula winkte Tamara zu sich, die vorsichtig an der Tür stehen geblieben war.
«Ich nehme an, jemand hat die Polizei gerufen.»
«Klar. Die Nachbarn waren aufgebracht, einige schoben das Ganze auf die Bewohner eines Aussiedlerheims. Die Nacht blieb dann ruhig. Und jetzt sag mir nicht, ich hätte dich anrufen sollen, ich hab es probiert, gleich in der Nacht, aber
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