Backstage
unter allen Bedingungen und für miese Kohle, angeblich für das Renommee, in dem oder dem angesagten Laden aufzutreten. Man sagte sich, besser, als nichts zu verdienen und zu Hause zu hocken. Musiker sind nicht solidarisch untereinander gegenüber den Veranstaltern.»
«Muggen allet ab, wat nich bei drei uff de Bäume is», murmelte Melissa, und lauter: «Warum wolltest du dann den Panitz wiederhaben?»
«Er war talentiert, ja, fürs Leben. Dachte ich. So viele von uns sind Versager im Privatleben. Oder langweilen sich. Wie soll man das Gefühl toppen, wenn zehntausend Leute mitgehen, den Text kennen, dich pushen, und du treibst sie hoch, und dann nimmst du das Tempo raus und lässt sie weich werden, ohne die Scham, die sie sonst spüren.»
Melissa hielt an einer roten Ampel. Die Zeitungen am Kiosk schrien die Amsterdam-Fotos in die Stadt.
«Damit toppen?» Melissa deutete auf den Zeitungsständer. Braun sah die Schlagzeilen, schwieg.
«Was ist mit deinen Umzugsplänen?», setzte Melissa nach. «Es bleibt dabei. Ich ziehe nach Berlin. Panitz wollte plötzlich mit mir nach München oder Köln ziehen, da sei musikmäßig mehr los.»
«Hatte Panitz seinem Partner schon Bescheid gesagt?»
«Wem?»
«Diesem Teichert.»
«Ach, dem. Der rief gestern Abend an, weiß der Himmel, woher er die Nummer hatte, wahrscheinlich von Lilli, der Großzügigen. Teichert zeigt mir heute das Haus. Kommst du mit? Als Berlinerin kannst du mir was dazu sagen, ich meine zur Lage und so.» Melissa nickte. «Wirst du allein in Berlin wohnen?»
Wieder das Schweigen. Dann nickte Braun und fragte ausweichend: «Ist das der Tiergarten?»
«Darf ich vorstellen? Der Tiergarten. Joggerparadies, Türkengrill, Schwulentreff, Heterostrich, Hundeauslauf und, seit einigen Jahren, machen sich die Regierungsokkupanten breit:»
«Paula hier. Hast du gut geschlafen?»
«Wer hat mich heimgebracht?»
«Ich.»
«Wo hat Gladys übernachtet?»
«Bei Lissa. Tamara? Bist du noch dran?»
«Wo soll ich denn sein? Warum rufst du an?»
«Sei so nett und telefoniere die Hotels im Umkreis der Knesebeckstraße ab, frag nach einer Frau Panitz aus Heidelberg, du kannst dich als ...»
«Ich weiß, wie man das macht.»
«Entschuldige.»
«Sag mir nur, was Vorrang hat.»
«Wie meinst du das? Die Umzugskisten laufen nicht weg.»
«Melissa hat mich auch mit einer Recherche beauftragt, ich soll Zeitungen durchforsten.»
«Zuerst die Hotels, bitte. Es kann Zeitverschwendung sein, aber vielleicht haben wir Glück und erwischen Panitz' Schwester noch. Alles andere klären wir heute Abend.»
Paula wählte die Gerichtsmedizin an, ließ sich mit einer Sachbearbeiterin verbinden, der sie bei einem Streit mit ihrem Vermieter geholfen hatte. Die Frau versprach, sich umzuhören, und rief schon wenige Minuten später zurück. Panitz' Leiche sei bereits freigegeben, die Formalitäten heute früh durch ein Beerdigungsinstitut erledigt worden.
«Das ging aber schnell.»
«Die wollten ihn vom Tisch haben und damit die Presse aus dem Haus.»
«Danke, du hast was gut bei mir.»
Teichert nahm beim ersten Klingeln den Hörer ab.
«Immobilien Teichert. Teichert am Apparat. Was kann ich für Sie tun?»
«Paula Oshinski, hallo.»
«Guten Tag, Frau von Oshinski.»
«Herr Teichen, haben Sie Zeit, mir zwei Fragen zu beantworten?»
«Aber leider nur kurz.»
«Waren Sie und Panitz eingetragene Partner?»
«Gleich zum Kern, nicht? Ich bezeichnete Panitz als meinen Partner, vor Kunden, Sie verstehen? Genau gesagt war Panitz mein Angestellter, aber es macht sich besser, ihn als Partner vorzustellen, das gibt, das gab ihm größere Autorität und Kompetenz in den Augen der Kunden.»
«So war das. Eine zweite Frage: Hat Panitz' Schwester sich bei Ihnen gemeldet?»
«Ich wusste nicht mal, dass er eine Schwester hatte. Ist sie in der Stadt?»
«Sie war es, ist aber vermutlich schon wieder abgereist. Ich danke Ihnen, Herr Teichert, und einen guten Tag für Sie.»
«Musst du dich seit neuestem in allem der Plattenfirma beugen? Ich hatte mir andere Drehorte vorgestellt. Du weißt, welche. Warum hast du nicht einen meiner Vorschläge durchgesetzt?» Auf dem Mittelstreifen der Altonaer Straße, eine derer, die zur Siegessäule führen, wurde die Kamera eingerichtet. Braun stand mit Reimann am Straßenrand, eine Visagistin tupfte mit einer Puderquaste über Brauns Stirn, er verscheuchte ihre Hand wie eine lästige Fliege. «Moment mal, ja?»
«Vorschläge waren das, Tom,
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