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Backstage

Backstage

Titel: Backstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schwarzwälder
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werden, Gladys.»
    Melissa lief los, blieb unvermittelt stehen, drehte sich zu Gladys um und platzte heraus: «Du hast mir einen Filmplot erzählt, was? Badlands, saufender Vater, vor dem schwangere Frau flieht.»
    «Thunderheart», räumte Gladys ein. «Ich hatte den Film gesehen, als er herauskam, und mir die DVD ausgeliehen, als sie mich mit dem konfrontierten, was sie plötzlich meine Geschichte nannten. Im Film wird der Agent zu seinem Chef gerufen, wusste aber, wer sein Erzeuger war. Mir drückte man ein Papier in die Hand. Vielleicht habe ich mir den Film noch einmal angesehen, um in Gesellschaft von einem zu sein, der in einer ähnlichen Situation war. It Sounds crazy, right? In Wirklichkeit war dieser, war mein Erzeuger vom Stamm der Blackfeet. Oder ist es noch, nicht mal meine Mutter weiß, ob er noch lebt. Blackfeet Reservation in Montana, früher ein Stamm von Reitern, bis man, ähnlich wie die Bisons, die Pferde dezimierte. Aber - er war Alkoholiker. »
    Melissa beäugte Gladys aus den Augenwinkeln, das schimmernde, schwarze Haar, die bronzene Gesichtsfarbe, aber bitte, sie kam aus der Sonne Kaliforniens.
    «Hast du vor, dich auf die Suche nach deinem Vater zu machen?» Melissa dachte an ihren Vater, den sie nach der Wende einmal besucht hatte, seine neue Familie kennen gelernt, ein Wochenende der Verlegenheiten, Verkrampfung und die Erleichterung auf beiden Seiten, als es endlich Sonntag war und sie sich, noch vor dem Frühstück, unter einem Vorwand verabschiedete. Seither hatten sie nichts mehr voneinander gehört; Melissa würde es dabei belassen.
    «Ich habe in Berlin die Chance, mein Leben in Amerika, oder back in the world, wie die hier stationierten Soldaten früher sagten, well, ich kann mein Leben in Kalifornien mit Vogelaugen betrachten, aus der Distanz.»
    «Du arbeitest für den Staat. Dieser Staat hat das Volk deines Vaters umgebracht, Bisons ausgerottet und den Indianern so die Lebensgrundlage entzogen, sie zu Almosenempfängern gemacht, ohne Perspektive, was auch Alkoholismus nach sich zog.»
    «Du hast gut aufgepasst in diesem Indianermuseum.» Gladys' Gesichtszüge verhärteten sich. «Gestern hörte ich, wie eine Verkäuferin zu einem Gast sagte, dass er ihr Land, die DDR, nicht beurteilen könne, weil er dort nicht aufgewachsen sei, nicht gelebt habe.»
    «Wenn du mit mir nicht darüber sprechen willst, setz dich mit Leuten von AIM in Verbindung.»
    «Whom?»
    «American Indian Movement.»
    «Ich habe ein Sabbatical Year genommen, genug Zeit, um mir zu überlegen, was ich unternehmen werde.»
    «Also ist das mehr als ein Urlaub?»
    «Ich möchte gern bei dir wohnen bleiben, aber ich muss vorher eine Aussprache mit dir machen.»
    «Haben, Gladys. Und ich hab jetzt keine Zeit, ich muss los. Allein. Bis dann, Gladys.»
    Melissa trabte los, die Friedrichstraße entlang, Gladys' Geschichte im Kopf, und was war das für eine Andeutung über eine Aussprache? Rasch ein Brötchen gekauft, im Laufen verschlingen, auf Braun konzentrieren. Die Gedanken sprangen durch Gehörtes: Unfall? Tom? Fahrer flüchtig? Ein Mädchen verbluten lassen? In Panik, aus Angst oder kaltblütig? Konnte ein Sechzehnjähriger so kaltblütig sein? Ja. Das konnten auch schon Jüngere.
    Ein Auto bremste, zwei Schritte von Melissa entfernt, der Fahrer hupte wütend, im Dauerton. Melissa hob entschuldigend die Hand.
    Ich muss mich zusammennehmen, ermahnte sie sich, Ruhe bewahren, verdammt.
    Paula zog sich in ihr Büro zurück, breitete ihre Notizen auf der Schreibplatte aus und griff zum Telefonhörer. Sie rief ihre Gewährsfrau aus der Gerichtsmedizin an, zu Hause.
    «Du schon wieder?»
    «Du kannst dir denken, warum. Ist irgendetwas durchgesickert, das das Verschwinden von Panitz' Innereien erklärt?»
    «Nein.»
    «Ich verstehe dich schlecht, du sprichst sehr leise. Hast du Besuch, soll ich zu einem anderen Zeitpunkt anrufen?»
    «Ruf bitte in nächster Zeit nicht mehr an. Bei uns ist der Teufel los, und ich will nicht in diesen Schlamassel gezogen werden. Bitte. Und nimm es mir nicht übel.»
    Damit legte sie auf.
    Dann klingelte das Telefon. Otto Ehlers. Paula verkniff sich das Du schon wieder, das ihr jetzt auf der Zunge lag.
    Ehlers' Stimme klang fremd.
    «Ich will gleich zur Sache kommen. Ich kann dir im Moment nicht das geben, was du brauchst. Ich denke, wir sollten Abstand halten, zumindest in der nächsten Zeit. Ich werde ... also dann, Paula.»
    Paula sah verdutzt auf den Hörer.
    Was meinte er mit: Ich kann

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