Backstage
dir nicht das geben, was du brauchst? Er hatte sie nicht zu Wort kommen lassen. Die zweite Abfuhr in wenigen Minuten, aber diese schmerzte. Paula spürte die kleine Paula, die sich abgestraft fühlte, ohne zu wissen, wofür, die sich duckte, klein und mickrig und verlassen fühlte in einer undurchschaubaren Welt.
Sie widerstand dem Impuls, ihn zurückzurufen, ihm Erklärungen abzuverlangen, Erklärungen zu geben. Oder ihn zu beschimpfen und all das zu sagen, was sie im Lauf der Beziehung zurückgehalten hatte, um das, was sie teilten, nicht zu gefährden. Und nun servierte er sie ab. Keine Belohnung für die Gute, die Verständnisvolle, die in Wahrheit verdrängt und einen Teil ihrer Bedürfnisse zurückgestellt hatte.
Was nun, hier, in diesem Augenblick?
Sie atmete tief durch. Arbeit. Erst mal was tun, erden. Und dann? Die Geschichte in Ruhe betrachten? Ging das überhaupt in einem solchen Moment? Alle Lebensweisheit, in Ansätzen erworben geglaubt, schwand in diesem Moment. Der Magen reagierte, zog sich zusammen, krampfte. Dieser Scheißkerl. Sie schwankte zwischen Wut und der Furcht, dies könnte das Ende der Beziehung sein.
Paula nahm die Umhängetasche, suchte Geldbeutel, Schlüssel und Ausweis in den Tiefen des ledernen Ungetüms. «Brauchst du das alles?», hatte Ehlers wiederholt gefragt.
Was tun mit der Werbemappe von Teichert Immobilien? Sie betrachtete die Fotos der neuen Siedlung, überflog Erklärungen, faltete die Grundrisse der Musterwohnungen auseinander. Warum hatte Panitz diese Mappe auf seiner ansonsten leer geräumten Schreibtischplatte liegen lassen? Wollte er den Prospekt mit nach Amsterdam nehmen, ihn Braun zeigen? Aber der hatte geäußert, dass Panitz ihn zu einer Zweitwohnung in einer anderen Stadt überreden wollte.
Noch einmal, und dieses mal sehr gründlich, sah Paula das Material durch. Jetzt entdeckte sie die Kreuze, zwei mit feiner, dünner Feder in den Bauplan eingezeichnete Kreuze, kaum erkennbar, vor und unter dem Haus, in dem sich die Penthousewohnung befand.
Mittlerweile war es nach acht. Irgendwo war Teicherts Visitenkarte, auf deren Rückseite er seine Privatnummer notiert hatte. Frau Teichert meldete sich. Ihr Mann sei auf Geschäftsreise, bis morgen Abend. Nein, er sei nicht telefonisch erreichbar, er rufe sie gewöhnlich an, sie wolle nicht mit ihrem Anruf in eine Besprechung platzen. Der Name Oshinski war ihr vertraut. «Rufen Sie doch morgen um diese Zeit an, ich bin sicher, dass er dann zu Hause ist. Ich werde ihm ausrichten, dass er Sie zurückruft, wenn er sich abends noch bei mir meldet.»
Die Frau ist entweder blind und naiv, oder die beiden haben eine besonders vertrauensvolle Beziehung, überlegte Paula. Oder ich urteile aus meiner Situation heraus so.
Sie nahm ihre Kostümjacke, in deren Taschen sie das Wichtigste verstaut hatte. Höchste Zeit, etwas zu essen. Am Lichtschalter fiel ihr Blick auf das Durcheinander; mochten die Papiere bis morgen so auf dem Sekretär liegen bleiben.
Da war die Assoziation: Sekretär, Schreibtisch, Panitz' Schreibtisch im Büro und Teichert, der davon gesprochen hatte, das Möbelstück in Panitz' Wohnung zu schaffen. Die war mittlerweile leer geräumt, den Schlüssel hatte die Kripo und jetzt vermutlich Monika.
Paula griff erneut zum Telefonhörer, wählte das Immobilienbüro an, ließ es läuten, bis sich der Anrufbeantworter einschaltete. Es musste sich um eine wichtige Reise handeln, wenn bis zum Freitag keine Möglichkeit bestand, Teichert telefonisch zu erreichen. «Wir rufen so bald als möglich zurück», endete die Ansage. Paula schloss eines der Schubfächer ihres Sekretärs auf und griff nach dem Bund Dietriche. Ihr früherer Partner hatte darauf bestanden, sie in der Kunst des Schlösserknackens zu unterrichten, trotz aller High-Tech-Entwicklung könne man auf diese Fähigkeit nicht verzichten. Zuletzt hatte Paula ihr eigenes Schloss in der alten Wohnung geöffnet, als sie die Schlüssel vergessen hatte. Eine neu eingezogene Nachbarin war dazu gekommen und hatte sich nicht davon abhalten lassen, die Polizei zu rufen.
Früher konnte sie blind jede Tür öffnen. Jetzt würde ein Probelauf nicht schaden. Die Eingangstür bot sich dafür an. Paula sah auf die Uhr. Los.
Dreißig Sekunden, gelernt blieb gelernt.
Einen Moment schwankte sie, ob es nicht ratsamer sei, die U-Bahn zu benutzen statt des eigenen Autos. Sie entschied sich für die bequeme Lösung, würde das Auto weit genug vom Büro entfernt parken.
Also
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