Backstage
doch wieder die Umhängetasche, alles in der Jacke Verstaute wieder umgeräumt, dazu die Handys, auf Vibration gestellt, und die Dietriche. Sie suchte die Blätter der Werbemappe zusammen und packte sie ebenfalls in die Tasche.
Essen. Im Küchenschrank befanden sich noch Kekse, zwei verschrumpelte Äpfel faulten in einer ausladenden Obstschale vor sich hin. Der Inhalt des Kühlschranks - schnell warf sie die Tür zu. In Zukunft würde sie dieses Ressort übernehmen, nur für Kaffee, Tee, Milch, Zucker und Mineralwasser war überreichlich gesorgt.
Auf dem Weg zum Parkplatz ging Paula in einen Dönerladen, nahm sich zehn Minuten zum Essen, bestellte noch einen Kaffee dazu. Dann überprüfte sie erneut telefonisch Teicherts Büro, wieder sprang der Anrufbeantworter an. Neun Uhr durch. Vermutlich hatten die Arbeiter längst Feierabend, vielleicht waren die Renovierungsarbeiten bereits abgeschlossen.
Paula näherte sich dem Regierungsviertel. Immer wieder regte sie sich auf, wenn sie daran dachte, wie die Insel der Regierenden weiter ausgebaut wurde, mit endlosen Geldströmen in diesem Land, das von allen einen Beitrag zum Sparen verlangte.
Zufahrt der Politiker zur Arbeit mit Limousine, manchmal Hubschrauber, ein Grüner war auf dem Fahrrad zu beobachten. Wohnen auf kleinen Inseln, in Dahlemer Idylle oder draußen, auf einem Seegrundstück im Nirgendwo. Berlin in Stippvisiten erlebt, wohl dosiert, die repräsentative Oper Unter den Linden, ein Restaurant um den Gendarmenmarkt oder, für ganz Abenteuerlustige, in eines der neuen, edlen Restaurants im Prenzlauer Berg, zur Not auch ein Museumsbesuch, meist von Berufs wegen. Ansonsten Berlin hinter Glas, vom Auto aus, in Papiere vertieft, flüchtige Augenblicke auf «die Menschen», von leitenden Berufspolitikern gerne so genannt, oder «die Menschen im Land». Bis auch sie wieder zu diesen Menschen wurden, allerdings weich abgefedert durch Aufsichtsratsposten und mit Renten in Aussicht, die ihresgleichen suchten.
Selten klagte eine Berufsgruppe so vehement über die Anforderungen und die schlechte Bezahlung ihres Jobs. Und selten waren dieselben Mitglieder dieser Berufsgruppe so geil darauf, diesen Job zu halten.
Scheiße. Hör auf, dich über diesen Mist aufzuregen, das ist vergeudete Energie, befahl sich Paula.
Als Melissa und Braun nach schweigsamer Fahrt - sie vorne, er hinten, um sich auf das Bevorstehende einzustellen - an dem Platz eintrafen, wo Stunden zuvor auf dem asphaltierten breiten Mittelstreifen gedreht worden war, parkte dort ein weißes Luxusauto. Zwei Männer machten dem Filmteam unmissverständlich klar, dass dies ihr Revier sei und keine anderen Nutten dort stehen durften.
Drehen? Eine Drehgenehmigung? Die Männer lachten.
«Denkt euch wat Besseres aus.»
«Die Drehgenehmigung lässt sich polizeilich nicht durchsetzen», schnauzte Reimann, der sich mit dem Regisseur beriet. «Wir haben kostbare Zeit verloren mit dieser verpfuschten Tanzerei. Die Genehmigung bezog sich auf heute Vormittag. Wir sollten den Kerlen ein Angebot machen, bevor wir noch mehr Zeit verlieren, das ist die einzige Sprache, die sie verstehen. Schafft Braun außer Sicht, sonst gehen die Tarife ins Utopische, falls ihn die Typen erkennen.»
Das Gefeilsche begann, in kleiner Runde.
Im Hintergrund lief der Kameramann nervös hin und her, es würde in wenigen Minuten zu dunkel werden; das Licht, das Licht.
Drei junge Frauen standen neben dem Auto, auf hohen Absätzen, nacktes Bein in Netz, Body mit hohem Beinausschnitt und Druckknopf im Schritt, Brüste nach oben gepresst, dicke, kurze Jacke darüber, Schminke, gefärbtes Haar oder Perücke, die gewöhnliche Arbeitskleidung. Aber keine der Frauen sprach mehr als zwanzig Worte Deutsch. Einer der Männer ging zu ihnen, scheuchte sie in Aufstellung, hintereinander, das unterstrich die Verhandlungsposition.
Schließlich war man sich einig, ein Bündel Geldscheine wechselte die Besitzer, die Filmcrew musste zusammenlegen, weder der Regisseur noch Reimann trugen genug Bargeld mit sich herum. Geschäftigkeit brach aus. Die Männer befahlen die Frauen auf den Rücksitz, wendeten das Auto und hielten auf dem Seitenstreifen, in Sichtweite.
Reimann nahm Braun zur Seite.
«Das Video muss einschlagen. Vermassel es nicht. Und geh heute früh schlafen, in deinem Alter regeneriert man nicht so schnell. Nimm 'ne Schlaftablette statt Schlafdrinks, du musst frisch aussehen, für die Aufnahmen morgen.»
«Du redest, als wäre meine Karriere
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