Backstage
Melissa, die ihren Klingelton erkannte.
Er fummelte immer noch in der Hosentasche. Ging das jetzt weiter mit der Schwanzarie?
«Ja, Paula?»
«Wo bist du, Melissa?»
«Bei Braun.»
«Gott sei Dank. Bring ihn ans Telefon. Lilli droht mit Selbstmord. Sie will mit ihm reden.»
SIEBEN
Um Himmels willen: Was war das?
Einen Moment lang blieb er stehen, schloss die Augen. Sah wieder die Grenzanlagen vor sich, die Soldaten, den Wachturm. Und jetzt? Eine Ansammlung von mittleren Hochhäusern, ein Viertel, neu aus dem Boden gestampft, Shopping und Business, Autos und Menschenmengen.
Er sah auf seinen Zettel, auf den er eine Skizze gezeichnet, den Weg zum Café, wie ihm am Telefon beschrieben worden.
Das Beobachten der Umgebung, unauffälliges Sondieren des Terrains, war ihm noch im Blut. Nur keine abrupten Bewegungen, die eigene Körpersprache kontrollieren.
Noch einmal einen Blick auf das Foto, per Handy an ihn geschickt; unnötig eigentlich, er sah das Gesicht schon im Traum vor sich. Sie würde mehr Mühe haben, ihn zu erkennen. Sein Haar gekürzt und gefärbt, außerdem hatte er an Gewicht verloren in den letzten Wochen.
Er ließ sich von einer Touristengruppe aufnehmen, lief in ihrem Schutz bis zum Filmmuseum und öffnete die Tür zum Café daneben.
Er wählte einen Tisch in der Nähe des Eingangs, bestellte einen Kaffee und einen doppelten Cognac.
Er ließ das Jackett an. Das Geld trug er, wie verlangt, in kleinen Scheinen in einem Briefumschlag, in der Innentasche der Jacke. Der Mann, auf den er wartete, war pünktlich, entdeckte sofort die Baseballkappe, die er neben den Kaffee gelegt hatte. Sie sahen sich für Momente in die Augen. Der Mann ging zu den Toiletten.
Nach genau dreißig Sekunden, die zäh verstrichen, folgte er dem Mann.
Der Waschraum war leer. Die erste Toilettentür rechter Hand war geschlossen, aber nicht verriegelt. Er öffnete die Tür, hielt den Umschlag hinein, der ihm abgenommen wurde. Er ging zu einem der Waschbecken, ließ Wasser laufen, zog die Jacke aus, knüllte sie auf die Ablage vor dem Spiegel.
Der Mann kam aus der Toilette, stellte sich neben ihn. Eine schnelle Handbewegung, und eine Waffe verschwand unter der Jacke. Der Mann verließ den Waschraum.
Als er ihm dreißig Sekunden später folgte, war der Mann verschwunden. Die Waffe beulte die Innentasche des Jacketts.
Er ging zu seinem Tisch, trank den Cognac ex, sah auf die Rechnung, legte einen Schein neben die Tasse Kaffee, die er stehen ließ, und verließ das Restaurant.
Jetzt konnte er seinen Vorrat auffüllen. Jetzt, mit der Waffe, war er gerüstet.
Schon von weitem sah Paula, dass die Hotelfassade nicht erleuchtet war. Nicht ein Taxi vor dem Eingang. Feuerwehrmänner hielten ein Sprungtuch ausgebreitet auf dem Bürgersteig, eng an die Hotelfassade. Über ihnen, im dritten Stock, ahnte man die Gestalt Lillis, die beinahe mit dem Schatten der seitlichen Balkonwand verschmolz. Das Hotel wurde weiträumig abgesperrt.
Kostbare Minuten verstrichen, bis der Einsatzleiter Paula als die Person akzeptierte, die Lilli Braun betreut hatte, den Ehemann kannte und mit ihr sprechen, sie bewegen wollte, von ihrem Vorhaben abzulassen. Paula stieg aus, redete auf den Mann ein, ein großer Kerl in Uniform und mit Helm, der unwillkürlich vor der kleinen Person zurückwich, die eine Energie ausstrahlte, die unwiderstehlich war, das Gesicht ganz Augen. Er geleitete die Frau, ohne es vorgehabt zu haben, zum Hoteleingang; sie schien zu glühen.
«Also, wie steht es? Schnell.»
«Sie ist immer noch auf dem Balkon.»
«Das weiß ich. Weiter.»
Paula lief zielstrebig durch das Foyer auf eine offene Fahrstuhltür zu.
«Ich bin jetzt im Hotel», sagte sie ins Handy.
«Sie hat verlangt, dass die Lichter an der Hotelfassade gelöscht werden, dass niemand ihr nahe kommt. Sie akzeptiert nur diese Hotelangestellte, die aber drinnen, im Zimmer bleiben muss und Frau Brauns Wünsche in den Flur weitergibt. Sie weigert sich, mit uns direkt zu sprechen, geht auch nicht ans Telefon.»
«Dritter Stock», sagte Paula zum Liftboy. «Lassen Sie diesen Aufzug bitte oben, falls wir etwas brauchen.»
Der Junge nickte, mit unbewegter Miene.
«Ist ein Sprung aus dieser Höhe tödlich?», fragte Paula den Einsatzleiter, als sie auf den Flur traten.
«Kommt darauf an, wie sie springt, beziehungsweise wie sie aufkommt. Unser Sprungtuch ist gespannt. Wir könnten auch durch ein Kommando, auf dem Dach postiert, einen Mann abseilen. Wir haben die Gäste
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