Backstage
instruiert. Bete, dass er richtig tickt.»
Paula zögerte, ob sie nachhaken sollte, insistieren, aber dann überwogen Mitleid und die Furcht davor, dass Lilli, in einer Art Kurzschluss, springen würde.
«Lilli. Dein Mann ist jetzt am Telefon.»
Langsam machte Paula einen Schritt auf Lilli zu.
«Stehen bleiben. Leg es auf den Boden. Geh zurück.»
Paula legte das Handy auf den Boden, wich einen kleinen Schritt zurück.
«Weiter. Du sollst zurückgehen.»
Die letzten Worte schrie Lilli. Paula ging sofort drei Schritte rückwärts. Lilli sprang vom Hocker, schnappte sich das Gerät und zog sich damit ans Geländer zurück.
Paula behielt sie im Auge, überlegte krampfhaft, was sie tun oder sagen konnte, bevor die Einsatzleitung oder die Hotelleitung die Geduld verloren und eingriffen.
Sie verstand nur einzelne, belanglose Worte. Er redete. Lilli weinte.
Was nach dem Telefonat? Sie musste Lilli wieder in ein Gespräch verwickeln. Es waren Klischeesätze, beruhigend, kindlich, in der Art alles - wird - gut. Noch hatten die Worte bewirkt, dass Lilli sich nichts angetan hatte.
«Glaub ich nicht», verstand Paula. Lilli sprach jetzt lauter. Und: «... schon mal gesagt.» Und: «Scheiden lassen?»
Lilli schrie auf, warf das Handy über das Geländer, schwang ein Bein hinauf, aber da war Paula bei ihr, packte sie, riss sie herum.
Lilli fand sehr schnell ihr Gleichgewicht wieder. Sie kämpfte verbissen, mit einer Kraft, die Paula überraschte, sie boxte, griff ihr an die Kehle, trat ihr ans Schienbein.
Ein Suchscheinwerfer glitt über die Fassade, fing die beiden Frauen ein, gefährlich nahe am Geländer. Lilli drückte sie gegen die eiserne Querstange. Paula schrie, sie spürte, dass sie nach hinten kippte, das Gleichgewicht verlor, fiel.
Der Aufprall kam unerwartet schnell und war hart.
«Alles in Ordnung?», fragte jemand.
Vorsichtig ließ man das Sprungtuch auf den Boden. Paula blieb wie betäubt liegen. Dann kam die Reaktion. Herzrasen, schneller Atem. Dann der Schmerz, am linken Arm. Und dann war da Melissa, die die Umstehenden zur Seite drängte und ihr vorsichtig aufhalf.
«Ist Lilli ...?» Die Stimme gehorchte ihr nicht, sie räusperte sich. «Lilli ist in ärztlicher Obhut», sagte der Einsatzleiter.
«Du wirst jetzt ins Krankenhaus gebracht, wir lassen dich untersuchen, keine Widerrede, ich fahre mit.»
Und da waren schon die Männer mit der Tragbahre, hoben Paula hoch, übergingen ihren schwachen Protest. Melissa setzte durch, dass sie hinten mit Paula mitfahren durfte, ihre Hand halten konnte, was Paula dankbar zuließ.
In der Charité, dem nahe gelegenen Krankenhauskomplex, übernahm Melissa das Kommando. Sie hasste und fürchtete Kliniken und überdeckte diese Gefühle mit Aktionismus. Sie, die sich sonst gerne im Hintergrund hielt, drang nun darauf, dass Paula zügig untersucht wurde, sprach Schwestern an, holte einen Arzt, blieb an ihrer Seite, ließ sich nur aus dem Röntgenraum schicken.
Nun lag Paula auf einem fahrbaren Bett im Flur, Melissa stand bei ihr, sie warteten auf die Untersuchungsergebnisse.
«Was ist mit Lilli?»
«Das weiß ich noch nicht. Ich hab Reimann an Brauns Seite beordert, der war noch beim Regisseur. Paula, das ist jetzt unwichtig, Reimann kümmert sich um die Brauns und wird mir Bescheid sagen, wie es steht. Mach die Augen zu, kümmere dich um dich selbst.»
Melissa strich Paula sanft über die Stirn. Kratzspuren und sogar eine Bisswunde auf der Schulter, die Seidenbluse zerrissen, das Gesicht blass, die Wangen wirkten eingefallen.
Ein Mann taumelte vorbei, aus einer Wunde am Kopf blutend, eine Schwester rannte hinter ihm her, ein Pfleger kam ihr zu Hilfe.
«Nun werden wir Ihnen einen hübschen Armschutz verpassen, mit dem können Sie in Zukunft noch besser kämpfen als heute», sagte der junge Arzt fröhlich und hielt Röntgenaufnahmen gegen das grelle Flurlicht.
«Arschloch», knurrte Melissa.
«Wie bitte?»
Paula drückte Melissas Hand.
«Auch noch, hab ich gesagt», gab Melissa widerwillig zurück. «Fraktur am linken Handgelenk, ansonsten nur Schürfwunden, die Bisswunde werden wir verarzten, Tetanus wann zuletzt? Wir werden Sie über Nacht hier behalten, um sicher zu gehen, dass Sie keine Gehirnerschütterung haben. Man wird sich gleich Ihres Arms annehmen und Sie dann in ein Zimmer bringen, wo Sie etwas zum Schlafen haben können. Keine Kopfschmerzen, nein? Vorläufig bleiben Sie liegen, fest liegen.»
Und schon eilte er davon.
Paula drückte noch
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