Backstage
mir einen Mord unter. Deine Art gefällt mir. Immer geradeaus. Siehst du, deshalb wollen wir dich in unserer Mannschaft. Also du kannst es halten, wie du willst, aber ich muss jetzt etwas essen. Mein Magen fährt Karussell, seit gestern hab ich wenig runterbekommen.»
Reimann griff zum Telefonhörer und gab seine Bestellung auf: das ja, das aber nicht und das auf einen extra Teller.
Melissa beobachtete ihn. Er ließ sich von ihrem Gerede nicht aus der Ruhe bringen. Selbstverständlich war er sich bewusst, als Verdächtiger im Panitz-Fall eine Topnummer gezogen zu haben. Aber das hielt ihn nicht davon ab, seine Belange, Brauns Geschäfte, zu verfolgen.
«Und keine Petersilie zu den Krabben. Ach so? Umso besser. Moment mal.» Er hielt den Hörer ab. «Nicht doch ein Sandwich, Melissa? Ein Krabbencocktail? Schinken? Gut. Schinken. Hören Sie», sprach er wieder in den Hörer und ergänzte seine Bestellung.
Ach, zum Kuckuck, ein Imbiss würde ihr gut tun, entschied Melissa.
«Willst du dich noch frisch machen vor dem Essen? Dein Zimmer steht dir zur Verfügung.»
«Mein Zimmer? Hast du das nicht gekündigt?»
«Wir wollen dich in unserer Mannschaft haben. Wie ich sagte: Tom braucht jemand an seiner Seite. Jemand Vertrauenswürdiges, der das Geschäft kennt. Du warst, Pardon, du bist vom Bau.»
«Nicht mehr. Nicht von eurem verdammten Bau.»
«Neidisch, Melissa?»
«Worauf?»
«Worauf? Diese coole Tour nehme ich dir nicht ab. Du hast doch mal Blut geleckt, in früheren Jahren, auch wenn es in eurer provinziellen DDR war, Bühne ist Bühne.»
«Ich hab einen neuen Job.»
«'Wie Panitz, als er nach Berlin musste, nicht?»
«Ach, Reimann, was soll das. Willst du mich provozieren? Ich hab mir meinen neuen Job ausgesucht. Das, was ihr macht, ist langweilig und austauschbar, künstlerisch gesehen, und kann schon morgen vorbei sein.»
«Nicht mit mir als Manager.»
«Du lebst auch unter dieser Angst. Und diese Angst diktiert auch dein Leben, deshalb kriecht ihr jedem in den Arsch, der ihn hinhält: Plattenfirma, Klatschpresse, Fernsehboulevardfuzzis.»
«Wir spielen längst in einer anderen Liga, Melissa. Tom ist ein Star.»
«Star. Was man heute so Star nennt. Megastar, Superstar, das ist doch inflationär. Was ist denn ein Star?» Melissa stand auf. «Ein Star weckt Sehnsucht. Das ist es, was von Stars ausgeht, was sie vermitteln und nicht aussprechen, nicht singen. Nein, sie wecken sie, diese Sehnsucht, nach, na ja, was immer die Fans an Träumen haben oder hatten. Zeitlos. Das ist es, was einen echten Star ausmacht. Der Rest ist Plastik, ist austauschbar.» Melissa blieb am Fenster stehen.
«He. Du bist ja eine Romantikerin, Melissa.»
«Ach, fick dich selbst.»
«Nein, ist schon in Ordnung, das ist schon okay, du musst dich nicht genieren. Siehst du, so jemand braucht Tom, jemand, der leidenschaftlich ist. Und du hast ihm Grenzen gesteckt, du kannst mit ihm umgehen, auf dich hört er.»
Es klopfte. Der Zimmerservice. Das gab Melissa Zeit, sich zu fassen. Sie drehte der Szenerie den Rücken zu.
Reimann hatte Recht. Sie war verlegen, weil sie ihm einen Einblick in Persönliches gegeben hatte. Und von wegen ehrlich. Aber sie wollte verdammt sein, wenn sie einem Kerl wie ihm eingestünde, wie stark in letzter Zeit die Lust auf Auftritte, öffentlich singen, wieder aufgekommen war. Es fiel ihr zunehmend schwer, eine rein berufliche Haltung beizubehalten.
Reimann würde das, was ihm in seine Pläne passte, ausschlachten und den Rest dessen, was sie gesagt hatte, vergessen. Er war eindeutig, war in allem mit seinen Geschäften befasst, schien kein Privatleben zu haben. Ungeduldig wartete er darauf, die Rechnung abzuzeichnen und darauf, dass der Mann vom Service das Zimmer verließ. Er schob Melissa den Teller mit dem Sandwich zurecht, das Glas Mineralwasser, reichte ihr eine Serviette.
«Na siehst du, wir kommen doch gut zurecht. Und das ist es. Wir brauchen jemand, der mit allen zurecht kommt, vor allem mit Tom und mit mir. Greif zu. Du bist die Richtige für den Job als persönliche Assistentin. Was sagst du? Deal?»
Melissa legte das angebissene Sandwich zurück auf den Teller. Jetzt war die Katze aus dem Sack.
«Über das Gehalt werden wir uns einig. Das ist die Chance, deine Chance, Melissa, in einer Zeit, in der der Ruf deiner Agentur nicht zum Besten steht, ich meine, wer weiß, ob das dort weitergeht.»
Reimann beugte sich vor, näher zu Melissa hin.
«Es gibt eine Menge zu tun. Das Video muss
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