Backstage
vorhatte: Das Trio auf den gleichen Stand zu bringen.
Tamara schloss das Aufnahmegerät Paulas an Lautsprecher an, legte Tageszeitungen auf den Tisch.
Aber zunächst die Anrufe.
Der erste war von Reimann, der Melissa suchte. Dringend melden, wenn im Büro. Bitte. Und wie geht es Frau von Oshinski? Von ihm stammten auch zwei weitere Anrufe. Das Bitte fiel weg. Er würde Melissas Hotelzimmer aufgeben. Melden!
Den Anruf von Ehlers stoppte Paula, sobald sie die Stimme erkannte.
Erkundigungen, wie es Paula gehe, auch von Teichert. Bitten um Stellungnahme, Anfragen für Interviews, mehr oder weniger aufdringlich, eindringlich, auffordernd: Presse, ein privater Sender, ein Lokalsender.
Ein Mitglied der Soko, der im Krankenhaus gewesen und Paula um wenige Minuten dort knapp verpasst hatte.
Dann die Tonbandaufzeichnung.
Lilli, mit Paula am See.
Ihre Stimme, mal weinerlich, mal trotzig, mal mit dem Pathos eines Kindes, das unbedingt Ihn wollte. Ein gefährliches Kind, das ein anderes verbluten ließ, nur die Rivalin sah, nicht die Sterbende.
Die Tom, den «über alles Geliebten», in dem Glauben ließ, er sei in Gänze für den Tod des Mädchens verantwortlich. Die mithalf, den Mitwisser, den Alibigeber, zu bezahlen, der glücklicherweise, wie sie es empfand, vor Einberufung oder Ersatzdienst fliehend, nach Berlin verschwand.
Panitz. Ein Trabant, der seine Sonne wieder suchte, Tom und den Dunst des Lebens im Rampenlicht.
Lillis «Ich bin schuld» beschäftigte die Frauen. Schuld. Auch an Panitz' Tod?
«Er hat seinen Mörder oder die Mörderin gekannt, ist von vorne erstochen worden. Panitz ließ ihn oder sie an sich ran, muss von dem Angriff überrascht worden sein. Ihm blieben nur noch kurze Momente für die vergebliche Abwehr», fasste Paula zusammen, nachdem Tamara das Gerät abgeschaltet hatte.
«Weiß man was über die Tatwaffe?»
«Eine Art Obstmesser fehlte, als der Ausstatter das Buffet begutachtete, das in Brauns Garderobe aufgebaut war. Spitz, scharf, ein Duplikat passt zum Wundprofil», sagte Tamara.
Sie erntete anerkennendes Nicken.
«Zurück zu Lilli. Bezieht sich das, was sie vor Paulas Balkonsturz und vor dem eigenen Tod geäußert hatte, auf die Ereignisse von 1977, auf Panitz' Tod oder auf beides», fragte Melissa laut. Zum ersten Mal nach dem Kampf im See fühlte Paula eine rasende Wut in sich aufsteigen, Wut auf dieses Miststück von Frau, süchtig nach dem Kerl, dem Sonnyboy, bereit, alles dafür zu tun, um ihn zu halten. Alles. Paula stand abrupt auf, ging mit großen Schritten in ihr Büro, knallte die Tür hinter sich zu. Melissa, schon im Aufstehen begriffen, spürte Tamaras Hand auf ihrem Arm.
«Lass sie. Tut ihr bestimmt gut.»
Melissa setzte sich wieder.
«Wir fangen wieder von vorne an, bei Panitz. Wer war Panitz? Wer hatte ein Interesse, ihn abzustechen? Die Gelegenheit hatten mehrere Personen. Was wollte dieser Panitz von Braun? Nur Geld? Was suchte er?» Tamara schlug einen sachlichen Ton an. «Den Rock 'n' Roll», erwiderte Melissa. «Aber den hat Braun verloren. Was er macht, ist geglättet, geliftet, Fahrstuhlmusik, für jedermann. Das ist das Verkaufsziel: Jeder.»
«Reimanns Ziel.»
«Ja. Weißt du, wenn Panitz derjenige war, der durchsickern ließ, dass und wann Braun in Tegel landete, musste Reimann das als Kampfansage aufgefasst haben, darüber, wer die Macht über Brauns Karriere hat.»
«Noch eine Frage zu dem Abend, als Lilli Paula vom Balkon stieß. Hast du gehört, was Braun seiner Frau am Telefon gesagt hat, Melissa?»
«Kinderkram. Beruhigendes von der Preislage: Wir kriegen das schon wieder hin, haben schon so viel zusammen durchgestanden. Warte mal. Er sagte: Wir bleiben immer Freunde. Da ist sie ausgeklinkt, hat geschrien, das hab sogar ich gehört. Sie hat das vielleicht als Scheidungsabsicht gedeutet, dieses Freunde-Gerede. Wie immer, ich bleib an Braun dran. Und an Reimann. Und wir telefonieren. »
«Ja.»
«Pass auf Paula auf.»
«Klar. Und du auf dich. Hast du dein Handy?»
«Ja.»
Als Paula ins Zimmer zurückkehrte, war Melissa bereits gegangen. Tamara hatte die Zeitungen durchgesehen und war nun dabei, eine Abschrift vom Band zu fertigen.
«Melissa trifft Reimann im Park-Hotel.»
«In Ordnung. Ich werde einige Anrufe machen.»
Paula ging zum Tresen, um sich einen Kaffee einzuschenken. «Sag mal, wo ist eigentlich Gladys?»
Sie verweigerte ihm die eigene Sprache, antwortete in Deutsch, sprach ihn auch so an. Zeig ihm, wer das Sagen hat,
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