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Backstage

Backstage

Titel: Backstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schwarzwälder
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unmittelbaren Gegenwart. Er stand auf, scheuchte sie zurück auf das Bett.
    «Schluss damit. Mund halten.» Er schrie die letzten Worte, ging zum Spülbecken und pisste wieder hinein.
    Letzteres hörte Gladys nur. Sie ließ sich gegen die Wand fallen. Sie war erschöpft, fertig, ausgepumpt.
    Mittlerweile mochte es mitten in der Nacht sein. Der Jetlag hatte Tag- und Nachtrhythmen durcheinander gebracht, zusätzlich zum Chaos der letzten Wochen.
    Sie schloss die Augen.
    Ausruhen.
    Nur eine Minute.

FÜNFZEHN
    Zuerst fühlte sie, dass sie nicht zu Hause schlief: Die Bettwäsche war gebügelt, der Stoff schmeichelte der Haut.
    Dann sah sie die Umrisse der Möbel, die Schatten, die sie warfen, beleuchtet von draußen, Übergardinen und Rollos waren offen, ließen das Straßenlicht herein.
    Melissa setzte sich auf, drehte das Display vom Hotelradiowecker zu sich. Vier Uhr fünfzig. Sonntagmorgen, wenn man diese Uhrzeit schon zum Morgen zählen mochte.
    Sie hatte seit etwa achtzehn Uhr geschlafen, zuvor, am Nachmittag, auch schon mal eine Stunde. Also zehn, elf Stunden Schlaf. Und warum nicht mehr, auf Vorrat sozusagen.
    Melissa ließ sich in die Kissen zurückfallen, wühlte sich in die Bettdecke.
    Nach einigen Minuten gab sie auf. Sie war wach. Ausgeschlafen, wie seit Nächten nicht mehr.
    Und jetzt? Am Sonntag, um fünf Uhr früh?
    Rausfahren, ins Grüne, spazieren gehen und schlafende Tiere erschrecken?
    In eine ihrer Kneipen im Prenzlauer Berg fahren und mit den Letzten deren Absacker teilen? Und dann - wieder am Nachmittag schlafen?
    Sie ging ins Bad, inspizierte, was das Hotel an Proben anbot. Ihr Haar brauchte dringend eine Wäsche, wie ein Blick in den Spiegel verriet. Auch die Klamotten. Damit war kein Tag mehr zu bestreiten. Die Jacke war außerdem für die Kühle des Morgens zu dünn. Sie musste nach Hause, sich umziehen, dort nach dem Rechten sehen und nach der Post.
    Langsam rückten die Ereignisse der Vortage wieder nahe. Sie widerstand dem Impuls, Paula anzurufen; vielleicht hatte sie ihr eine Nachricht hinterlassen.
    Auf der Mailbox Tamaras Stimme: Wir, also Paula und ich, schlafen heute Nacht im Adlon und sind morgen gegen elf wieder im Büro.
    Das war wohl ein Scherz, die Sache mit dem Adlon. Aber Tamaras Tonfall nach zu urteilen, ging es ihnen gut.
    Melissa wählte den Anrufbeantworter zu Hause an.
    Freizeichen des Telefons. Der Anrufbeantworter war abgestellt. Wenn sie eines sicher wusste, dann, dass sie dieses Gerät Tag und Nacht in Betrieb ließ.
    Sie setzte sich, überlegte. Gladys hatte noch den Hausschlüssel. Aber keinen Grund, den Anrufbeantworter abzuschalten. Schlagartig war da die Nacht mit Gladys auf der Terrasse, die mit ihrem Fuß in den Eingeweiden des Hundes geendet hatte, etwas, das sie jetzt noch in den Zehen spürte.
    Wenn dieser Detektiv, dieser Amateur, ihr nicht mehr gefolgt war in dieser Nacht, wer dann?
    Worüber hatte Gladys mit ihr reden wollen? Und warum die Begegnung mit einem Mann vertuscht, mit dem sie Melissa in der Nähe des Büros gesehen hatte, im Gespräch, Gladys, die zum ersten Mal in Berlin war?
    Melissa zog sich an, nahm sich ein Taxi, ließ sich zum Bürogebäude fahren, bat den Fahrer, zu warten, und sprintete die Treppen hinauf.
    Wo war die verdammte Tränengaspistole?
    Sie zog sich die schwere Motorradlederjacke an, die sie hier deponiert hatte, steckte Handy, Schlüssel und Geld zur Pistole, wechselte die Pumps mit Turnschuhen, hinterließ, für alle Fälle und gut sichtbar, eine Notiz.
    Sie nannte dem Fahrer eine Straße, die fünf Fußminuten von ihrem Haus entfernt war.
    Als er die Adresse hörte, schlug er im Stadtplan nach. Bevor er losfuhr, wollte er Bargeld sehen, um sicherzugehen, dass er die weite Fahrt «in den Osten» nicht umsonst mache.
    Melissa, mühsam beherrscht, zeigte ihm einen Fünfzigeuroschein.
    Diese Stadt: Gebt mir heute ein Schienbein, das sich mir in den Weg stellt, zum drantreten.
    Sie hatte das Gefühl für Zeit verloren. Sie trug keine Armbanduhr, und in diesem Haus gab es nicht mal einen Wecker am Bett. Sie schloss und öffnete die Hände, bewegte vorsichtig die Füße, kreiste mit den Schultern.
    Ein dumpfer Schmerz pochte im Hinterkopf.
    Hatte sie geschlafen?
    Schlief er?
    Er lag auf der Couch, die Beine auf den Tisch, zwischen Zuckerdose und Kaffeetasse, gelegt.
    Schatten vom Fernsehbild flackerten an der Wand. Der Ton war immer noch abgestellt.
    Er bewegte sich nicht.
    Die Augen zu, die Hand mit der Fernbedienung geöffnet.

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