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Backstage

Backstage

Titel: Backstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schwarzwälder
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sich erklärten, rechtfertigten.
    «Sie haben in den Achtzigern in Berlin gearbeitet. Gibt es noch Kontakte aus der Zeit, mit dem ... wie heißt das?»
    «BND. Telefonisch, ja. Der Mann ist in Rente, lebt irgendwo auf einer Insel, im Süden, wieder eine Insel, wie die Stadt früher eine Insel war. Westberlin, das kennen Sie nicht mehr, damals war alles ganz anders.»
    Sicher. Früher war immer alles ganz anders. Alles andere als alte Geschichten wollte sie jetzt von ihm hören, alte Heldentaten, aber sie ließ ihn fabulieren und beobachtete ihn. Immer noch trug er die Jacke, mit der Waffe in der Tasche. Er rauchte, an Zigaretten trug er einen Vorrat mit sich herum.
    Sie schenkte ihm Kaffee nach, ohne zu fragen, drehte ihm wieder den Rücken zu, lief hin und her, zum Automat, zum Tisch, durch seinen Monolog, knipste die Stehlampe an.
    Er bot ihr eine Zigarette an, die sie nahm und paffte, sie hatte nie geraucht, der Mutter früher beim Kiffen zugesehen, dann gab die es auf.
    Warum fiel ihr jetzt die Mutter ein? Sekundenlang verschob sich diese Realität, wurde zum Alb, aus dem sie erwachen würde, gleich, jetzt, das alles war nur eine Parallelwelt ... Sie kniff sich in den Oberschenkel, bis es schmerzte, der Atem ruhiger wurde und sie die aufsteigende Panik in den Griff bekam, die schweißnassen Hände verstohlen an der Hose abwischte; er war noch bei seiner Geschichte.
    McMillan landete in wirrem Bogen bei seiner Flucht, über Mexiko, erwähnte das Geld, das ausging, weil er nicht mehr zusammenkratzen konnte auf die Schnelle und der Rentner ihm nur gegen Barüberweisung die Telefonnummer eines Mannes sagte, der ihm in Berlin ein möbliertes Zimmer besorgte.
    «Und Medikamente. Außerdem sollte er, mit Hilfe des Alten auf der Insel, mein Mittelsmann zum BND werden, mich mit einem von denen in Kontakt bringen, die jetzt was zu sagen haben. Ich muss mich vergewissern, dass ein Deal sauber geregelt wird, bevor ich auspacke, ohne dass irgendein Idiot gleich den großen Bruder informiert.» Er lachte kurz auf. «Ich hab einiges anzubieten über das, was alles an denen und der deutschen Regierung vorbeiging in den Jahren, seit die Mauer fiel.»
    Vielleicht auch mit deren Wissen, dachte Gladys und schob McMillan eine Waffel zu. Der Mann aber wollte reden.
    «Dann kam mein Versorger nicht mehr. Tagelang hab ich gewartet. Zufällig entdeckte ich sein Foto auf den Titelseiten der Zeitungen. Der Kerl war ermordet worden. Jetzt war klar, warum er sich nicht mehr meldete. Und mein alter Kumpel vom BND will plötzlich nichts mehr von mir wissen. Ein Mord? Untersuchungen? Zu heiß. Alle halten still. Alle, die der Typ versorgt hat. Und ich war schon zu lange in dieser Wohnung, ich musste wechseln. Und was besorgen.»
    Er steckte sich eine neue Zigarette an der Kippe der Gerauchten an.
    «Versorgt?», fragte Gladys, um das Gespräch, seinen Monolog, in Gang zu halten. Ihr dämmerte, wer McMillans Dealer war; der einzige Mord, der die Schlagzeilen der letzten Tage gefüllt hatte, war auch der, mit dem Melissa befasst war.
    Das mochte der Auslöser für diese Aktion sein, die Entdeckung, dass sein Kontaktmann tot, ermordet worden war.
    «Womit versorgt?», wiederholte sie.
    «Medikamente. Ich kenne mich mit deutschen Produkten nicht aus. Er besorgte alles, was es sonst nur auf Rezept gibt, auch für meinen alten Kumpel auf der Insel. Kein gewöhnlicher Dealer, er hielt sein Geschäft in kleinem Rahmen, bewegte sich in Kreisen, in denen er nie auffiel, unter Leuten von Kultur und Politik.»
    Er trank vom zweiten Becher, sein Mund schien ausgetrocknet, er räusperte sich, trank Wasser nach.
    «Hat er Ihnen auch die Waffe besorgt?»
    «Nein. Dafür braucht man niemand, es gibt für so was in jeder Stadt einen Anlaufpunkt.»
    «Wo?»
    Er wollte sich produzieren. Grinste.
    «Nach wie vor am Potsdamer Platz.»
    Er lehnte sich zurück.
    Ein Hund kläffte, ein Ruf, eine zuschlagende Tür, Stille. «Hunde. Diese Stadt ist voller Hunde.»
    «In der Nacht, in der Sie ... in der der Hund zum Schweigen gebracht wurde, war ich auch hier.»
    «Klar, das war ja der Grund, warum ich euch folgte, Ihnen und der anderen. Dieser Hund wollte nicht aufhören zu jaulen, er hätte mich verraten, was sollte ich tun?»
    Dieser Mann empfand sich als Opfer, ein Opfer, das das Recht auf Verteidigung, wie er es sah, das Recht zu töten hatte. Gladys musste den Blick abwenden, spürte wieder die eigene Angst.
    Er auch. Er witterte ihre Angst, war wieder in der

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