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Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Bacons Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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Betruges angezeigt zu werden.
    Maia hatte mir nie ganz verziehen, dass ich sie nicht zu Lady Catherine mitgenommen hatte. Als ich ihr das Porträt nach meiner Rückkehr aus Linz zum ersten Mal gezeigt hatte, waren ihr Tränen in die Augen getreten. Ob aus Ergriffenheit, Enttäuschung oder Zorn, hatte ich nicht zu deuten gewusst. Meine unentwegten Beteuerungen, dass wir die Entdeckung gemeinsam gemacht hatten, ignorierte sie. Während ich »unser Bild« sagte, nannte Maia es immer nur »dein Bild«.
     
    Im September bat sie mich zu einem Gespräch ins Café Engländer . Es wurde eines unserer kürzesten. »Kannst du mich vier Wochen entbehren?«, fragte sie, noch ehe wir bestellt hatten.
    »Ich könnte dich nicht einmal einen Tag entbehren«, sagte ich und versuchte ein Zwinkern.
    »Es ist wichtig.« Maia blieb ernst. »Ich muss nach London. Eine Gesundheitssache.«
    Ich erschrak. »Bist du krank?«
    »Nein«, sagte Maia. »Es ist etwas Persönliches. Frag bitte nicht weiter.«
     
    Nach ihrer Rückkehr war Maia verändert. Obwohl sie ihrer Arbeit mit ungebrochener Leidenschaft nachging, wirkte sie zuweilen abwesend. Manchmal blieb sie mitten im Verkaufsraum stehen, ein Buch in der Hand, versunken in eine Parallelwelt. Ihre Stimmungen schwankten. An manchen Tagen hatte sie ein ekstatisches Lächeln auf den Lippen, dann wieder war sie mürrisch, und ihre Stirn lag in Falten.
    Als ich sie eines Tages nach der Arbeit zum Essen ausführen wollte, lehnte sie ab. »Sei mir bitte nicht böse, Arthur, aber meine Abende sind mir heilig.«
    Spätestens in diesem Moment begriff ich, dass Maia einen Liebhaber haben musste. Wem, wenn nicht den Liebenden, sind die Abende heilig? Konnte es etwas mit Thomas zu tun haben? Oder war es einer ihrer Kunden? Ich spürte ein Ziehen in der Magengegend, das mir gar nicht gefiel. Warum erzählte sie mir nichts davon? Ich war doch ein guter Freund, und denen erzählt man alles.
    An einem düsteren Oktoberabend folgte ich Maia nach der Verabschiedung vor dem Maldoror in einigem Abstand. Der Drang, diesen Mann zu sehen, war so überwältigend, dass ich den Verlust an Würde in Kauf nahm. Erst nach einer Viertelstunde verstohlenen Nachschleichens und beschämenden Versteckens hinter Häusermauern packte mich meine Vernunft am Kragen und setzte mich in ein Kaffeehaus.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte der Kellner.
    »Nein«, sagte ich und bestellte einen doppelten Williams.
    Erst nach dem zweiten wurde mein Atem ruhiger. Was war da bloß in mich gefahren? Maia war eine Verbündete in vielerlei Hinsicht, aber ihr Leben als Frau ging mich nichts an. Sie wollte ein Geheimnis vor mir bewahren, das war nur verständlich. Mein Verhalten war nichtswürdig und lächerlich. Ab sofort hatte mich das Privatleben meiner Mitarbeiterin nicht mehr zu interessieren. Das war eine Dienstanweisung von mir an mich. Ich musste aufhören, persönlich gekränkt zu sein, wenn die Welt sich nicht so verhielt, wie ich wollte. Langsam ließ der Schmerz im Magen nach, die Eisenklammer um meinen Nacken lockerte sich. Ich fühlte mich leicht und befreit, als hätte mir jemand einen nassen Wintermantel von den Schultern genommen. Es war noch Verlass auf meinen Wirklichkeitssinn. Erst als mir der Kellner einen strafenden Blick zuwarf, bemerkte ich, dass ich mindestens zwanzig Zahnstocher aus ihren Papierhüllen gedrückt, zerbrochen und über den ganzen Tisch verstreut hatte.
     
    Am folgenden Morgen wartete ich einen Moment ab, an dem kein Kunde im Maldoror war, stellte mich vor Maia hin und fragte so beiläufig wie möglich:
    »Willst du mir nicht sagen, was mit dir los ist?«
    Ich hatte mit Ausflüchten gerechnet, Variationen über »ich weiß gar nicht, wovon du sprichst«. Oder mit Empörung über meine Indiskretion. Aber Maia sagte nur »alles zu seiner Zeit« und lächelte. Aber nicht mich an, sondern durch mich hindurch.
     
    Auch die Freundschaft mit Sebastian war merklich abgekühlt. »Du musst es zurückgeben«, hatte er an jenem Nachmittag gesagt, immer wieder, »du musst es zurückgeben.«

 
    Zwei
     
    »Ich kann es nicht zurückgeben«, sagte ich. »Wie stellst du dir das vor?«
    Wir saßen mittlerweile auf dem Fußboden von Sebastians Atelier; vor uns lag, auf ein schwarzes Tuch gebettet, das Bild. Wir starrten es an, mit gemischten Gefühlen. Es hatte noch Stunden gedauert, bis es zur Gänze freigelegt war. Und der letzte Zweifel beseitigt.
    »Soll ich einen Brief schreiben? Eine E-Mail schicken? Sehr

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