Bacons Finsternis: Roman (German Edition)
beiden ärgsten anthropomorphen Verfälschungen des Weltbildes, deren er sich überhaupt schuldig machen konnte«.
Der Widerstand gegen diese Verfälschungen verband Bacon mit Jahnn. Auch wenn der Dichter sich anders dazu äußerte als der Maler. »In mir ist eine Art Liebe«, schreibt Jahnn, »eine törichte Zärtlichkeit zu denen, die warmen Blutes leiden müssen.«
In den Tagebüchern von Alice Schmidt entdeckte ich, dass auch Arno Schmidt einmal im Gasthaus Jacob in Blankenese gespeist hatte – auf Einladung des Verlegers Ledig-Rowohlt. »Ein ganz vornehmes Restaurant«, notiert Alice, »mit Garderobe und befrackten Kellnern. Schön die Lichter am anderen Ufer.« Ob Alice und Arno Schmidt den Mond über der Elbe gesehen hatten, davon stand leider nichts in den Tagebüchern. Auf die Frage, was er mit einem Totogewinn von einer Million Mark anfangen würde, hatte Schmidt einmal gesagt: »Je 100000 Mark Literaturpreis an Hans Henny Jahnn, mich und Peter Rühmkorf. Für den Rest nicht mehr erreichbare Bücher neu auflegen.« Ob Schmidt und Jahnn einander je begegnet waren, entzog sich meiner Kenntnis.
Gustav Anias Horns Hund, mit dem er gemeinsam verwesen durfte, hieß Eli, wie der Hund von Lucian Freud, den der Maler so liebte und so gern als Modell verwendete. Wie Jahnn zog auch Freud die Gegenwart von Hunden und Pferden der von Menschen vor.
Lucians Mutter Lucie Brasch erinnert sich noch an den ersten Satz, den ihr Sohn sprechen konnte: »Lass mich in Ruhe!«
Vier
Die Rhododendren trugen schwer am Schnee. Ein scharfer Wind blies über sie hin und wirbelte an manchen Stellen weiße Fähnchen hoch.
Lady Catherines Blick verriet mir, dass ich nicht gelegen kam.
Der Flur war vollgestellt mit Koffern und Reisetaschen. Wo Leonhards Porträt gehangen hatte, hob sich ein helles Rechteck von der Wand ab.
»Ich habe etwas, das Ihnen gehört«, sagte ich.
Ich nahm das Bild aus der Plastiktüte, wickelte es aus dem Packpapier und zeigte es ihr.
Sie wurde kreidebleich und begann zu zittern. Ich wollte sie stützen. Sie stieß mich zuerst weg, dann ließ sie es doch zu, dass ich sie zum nächsten Stuhl geleitete.
Sie atmete schwer, schnappte nach Luft.
»Des Pudels Kern«, keuchte sie. »Der verschollene Freud.«
Sie nahm mir das Bild aus der Hand und versenkte sich in die Augen Bacons.
Minutenlang rührten wir uns nicht, sie auf ihrem Stuhl und ich leicht nach vorne gebeugt, mit der Plastiktüte in der Hand.
»Ich habe nie ein schöneres Porträt gesehen«, sagte sie schließlich. Sie stand auf und streckte mir ihre Hand mit dem Gemälde entgegen.
»Behalten Sie es. Ich will es nicht.«
»Aber es gehört doch Ihnen.«
»Nein«, sagte sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. »Sie haben es gekauft. Geschäft ist Geschäft.«
»Aber es ist nicht rechtens, und …«
»Und außerdem«, unterbrach sie mich mit leiser gewordener Stimme, »erinnert es mich zu sehr an die Schattenseiten meiner Ehe.«
Meine Hände bewegten sich nicht. Ich würde nicht mit dem Bild nach Wien zurückreisen, so viel stand fest. So hing das Porträt an ihrem ausgestreckten Arm zwischen uns in der Luft.
»Hatten Sie denn nie einen Verdacht?«, fragte ich.
»Sein Giftschrank war mir nicht ganz geheuer. Aber an Diebstahl habe ich nie gedacht.«
»Vielleicht war es ja gar kein Diebstahl. Er könnte es ja von einem Händler legal gekauft haben und erst später entdeckt haben, worum es sich handelt.«
»Das glaube ich kaum. Leonhard hatte zwar seine Schwächen, aber naiv war er nicht.«
Sie warf noch einmal einen Blick auf das Gemälde, dann nahm sie mir die Plastiktüte aus der Hand und steckte es hinein.
»Ich habe es schon einmal gesehen«, sagte sie. »Einmal brachte Leonhard eine Art Fahndungsposter mit nach Hause, auf dem es abgebildet war. Aber in Schwarzweiß.«
»Hat er Ihnen erzählt, worum es ging?«
»Nein. Er war aufgewühlt und fahrig, aber sehr abweisend, als ich mit ihm darüber sprechen wollte. Er zog sich in sein Zimmer zurück und führte stundenlange Telefonate.«
»War es nicht gefährlich, das Bild übermalen zu lassen? Immerhin hat er damit einen Mitwisser mehr in Kauf nehmen müssen.«
»Ich denke, er hat es selbst übermalt. Er war sehr begabt. Leider nur, wenn es um Nachahmungen ging. Seinen eigenen Stil hat er nie gefunden. Bis zu seinem Tod war das der Stachel in seinem Fleisch.«
»Wussten Sie, dass die obere Farbschicht nur ein paar Jahre alt war, als Sie mir das Bild
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