Bacons Finsternis: Roman (German Edition)
verkauften?«
»Was soll das jetzt werden? Ein Verhör?«
»Verzeihen Sie. Ich muss meine Neugier besser im Zaum halten.«
»Schon gut. Nein, ich wusste es nicht. Für mich war es ohne Zweifel das Bild eines Jawlensky-Schülers.«
»Aber warum hat Ihr Mann sich solche Mühe gegeben, das Bild alt aussehen zu lassen? Nur um Sie zu täuschen?«
Lady Catherine nahm ihre Brille ab und wischte sich mit einem Taschentuch über Stirn und Augen.
»Sagen wir, er hat mich geschützt«, sagte sie langsam. »Vor mir selbst. Über seinen Tod hinaus.«
»Das verstehe ich nicht ganz.«
»Er wusste natürlich, dass ich den Giftschrank öffnen würde, falls er vor mir sterben sollte. Und ein Bild aus dem Jawlensky-Umfeld wäre unauffällig. Es passte perfekt in seine Sammlung. Ich würde mir nicht groß den Kopf darüber zerbrechen. Hätte ich es als frisch gemaltes Bild erkannt, wäre ich ratlos gewesen und hätte es vielleicht sogar einem Experten gezeigt. Und schon wäre ich in die Mühlen der Kunstfahnder geraten. Aber so würde ich keinen Verdacht schöpfen. Und so war es ja auch, bis Sie gekommen sind.«
»Haben Sie eine Ahnung, wann Ihr Mann das Porträt übermalt hat?«
»Wann, sagten Sie, wurde es gestohlen?«
»1988.«
»In Berlin, nicht?«
Ich nickte.
Sie schloss die Augen und suchte in ihrer Erinnerung nach Spuren.
»Ich weiß es nicht mehr. Ich vermute, dass er es wohl bald nach dem Diebstahl bekommen hat. Und sofort weggesperrt. Als sie dann Jahre später begonnen haben, überall diese Poster aufzuhängen, hat er es wohl übermalt.«
»Nicht sofort. Er hat bei Scotland Yard angerufen. Er wollte es zurückgeben.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Aber wie es aussieht, hat er es sich dann anders überlegt.«
»Offensichtlich.«
»Ich frage mich, warum er ausgerechnet diese Lösung gewählt hat. Er konnte ja so den Anblick seines Bildes nicht mehr genießen.«
»Ich nehme an«, sagte Lady Catherine, »dass er die obere Farbschicht wieder abgetragen hätte, wenn der Wirbel vorüber war. Er hätte dann sein eigenes Gemälde zerstören müssen, um zu dem wahren Kunstwerk durchzudringen. Das passt gut zu Leonhard. Es wäre seine Rache an sich selbst gewesen. Ein Akt der Selbstverletzung, geboren aus der Verbitterung über das Mittelmaß, über das er als Künstler nie hinausgekommen ist.«
»Kennen Sie Neuseeland?«
»Nein.«
»Ich werde Ihnen eine Ansichtskarte schicken. Leben Sie wohl.«
Fünf
»Ich habe heute mit Thomas telefoniert«, sagte Maia.
Es war ein warmer Märztag, wir verbrachten die Mittagspause auf kleinen Holzstühlen vor dem Maldoror .
»Er lässt dich grüßen.«
»Besten Dank«, sagte ich. »Wenn er wüsste, was ich zu Hause habe, wäre schnell Schluss mit der Grüßerei.«
Maia schwieg. Ich spürte, wie ein Verdacht in mir hochkroch. »Du hast ihm doch nicht etwa …«
»Bist du verrückt? Wenn dich dein Bild paranoid macht, gib es zurück.«
»Das hab ich doch schon versucht.«
»Sie haben die Junge Pariserin .«
»Was hat sie denn angestellt?«
»Ich rede von Renoirs Porträt.«
»Das aus Stockholm? Hat Watt es gefunden? Bei Lohmeier?«
»Ein Ermittler des FBI hat es entdeckt. In Los Angeles. Niemand darf davon erfahren, sagt Thomas.«
»Außer dir, natürlich.«
»Arthur, wenn du schlechter Laune bist, können wir das Thema auch lassen. Ich dachte, es interessiert dich.«
»Entschuldige. Also, warum darf es niemand erfahren?«
»Sie haben noch keine Spur zu dem dritten Bild. Rembrandts Selbstporträt. Und sie wissen noch immer nicht, wer eigentlich die Fäden zieht. Wenn es herauskommt, dass das FBI die Junge Pariserin hat, wird Mr. X untertauchen, und der Rembrandt ist für immer verloren.«
»Aber wir wissen doch, wer Mr. X ist, oder?«
»Thomas sagt, man könne ihm noch immer nichts nachweisen. In der Szene heißt es, er habe neuerdings eine Komplizin, mindestens so geschickt und intelligent wie er selbst.«
Mein Versteck für das Bild verdiente diese Bezeichnung nicht ganz. Zwar hatte auch ich eine Art Giftschrank, aber der war weder versperrt noch hinter einer Geheimtür versteckt. Er enthielt meine wertvollen, vor Käufern zu schützenden Erst- und Sonderausgaben, stand im Schlafzimmer und sah wie ein Kleiderschrank aus, nicht verglast wie meine Bücherwände; in schlichtem Buchenimitat. Neben Isabels geräumigem Kleiderdepot, das nun, gefüllt nur mit meiner bescheidenen Garderobe, eine gespenstische Leere ausstrahlte, wirkte er winzig. Niemand
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