BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Alben, die Fotos enthielten, wie sie in keinem Familienalbum der Welt zu finden waren. Er las zum x-ten Male Kopien von Polizeiberichten und Zeugenaussagen und alter Zeitungsausschnitte.
Allesamt hatten sie ein- und dasselbe Thema. Ein grausiges, widerwärtiges, eines, vor dem auch Milton Banks ekelte –
– obschon er selbst dieses Thema war.
Milton Banks. Der Serienmörder. »Der Killer, der seine Opfer zum Fressen gern hat«, wie ein Boulevardblatt damals geschmacklos getitelt hatte – wenn auch nicht ganz unzutreffend.
Denn Milton Banks hatte Teile der von ihm Ermordeten gegessen – nicht roh, sondern nach Rezepten aus aller Welt zubereitet, die er nach seinen Bedürfnissen geringfügig abgeändert hatte, indem er beispielsweise für sein Irish Stew nicht Lammschulter verwendet hatte, sondern –
Schnell, aber nicht hastig erhob sich Milton Banks aus seinem bequemen Ohrensessel, ging ins angegliederte Badezimmer und übergab sich in die Toilettenschüssel. Sorgfältig spülte er dann am Waschbecken seinen Mund aus und tupfte sich die Lippen trocken.
Dabei betrachtete er sich im Spiegel (aus bruchfestem Glas) darüber, und er tat es, als schaue er in ein fremdes Gesicht.
Tatsächlich war ihm Milton Banks fremd – jener Milton Banks zumindest, von dem in diesen Berichten und Artikeln die Rede war und dessen übel zugerichtete Opfer die Schwarzweißfotos zeigten; während er mit dem heutigen Milton Banks nie recht vertraut geworden war...
So gesehen
, resümierte Banks,
bin ich ein Niemand, ein Neutrum – nicht mehr der, der ich war, und nicht der, der ich heute sein sollte. Weder Fleisch noch Fisch...
Fisch...,
dachte er und entsann sich ungewollt eines Rezeptes für Forellenmousse mit roter Butter, bei dem er –
Milton Banks beugte sich zur Seite und spie abermals ins Klosett.
Er hatte sich an das Rezept nicht wirklich erinnert, nicht in dem Sinne jedenfalls, dass er sich des betreffenden Vorfalls erinnerte... aber eine Zeitung hatte sich seinerzeit nicht entblödet, Milton Banks spezielle Rezepte zu veröffentlichen, freilich versehen mit dem Hinweis
Bitte nicht nachkochen
...
Er besaß diese Erinnerungen nicht mehr. Er wusste nicht mehr, wie es gewesen war, jener Milton Banks gewesen zu sein.
Aber
sie
hatten ihn nicht im unklaren darüber gelassen,
dass
er dieser Milton Banks gewesen war.
Sie
– diese weißbekittelte Hydra, deren Gesichter regelmäßig wechselten. Dr. Ludlow war nur das aktuelle, andere würden ihm folgen.
Sie
hatten ihm all diese Unterlagen besorgt und so lange in seinem Zimmer gelassen, bis er nicht anders konnte, als darin zu blättern. Anfangs hatte er weder glauben können noch wollen, dass er für all diese unsäglichen Schandtaten verantwortlich zeichnete. Dafür hatten
sie
schon vor langem gesorgt...
Milton Banks hatte nie erfahren (und vielleicht hätte er es auch nicht verstanden),
wie
sie es getan hatten – aber irgendwie hatten sie die Kontakte zwischen seinem Bewusstsein und seinen Erinnerungen unterbrochen, die Verbindungen in seine Vergangenheit gekappt.
Drogen, vermutete Banks, und eine besonders perfide Art der Gehirnwäsche... Sicher konnte er sich dessen nicht sein. Es war auch nicht wirklich von Bedeutung.
Wie auch immer – mit den Zeugnissen der Vergangenheit führten sie ihm vor Augen, wer und was er einmal gewesen war. Es war ihre Art, ihn zu bestrafen. Trotzdem sie ihn in gewissem Sinne geheilt hatten, ließen sie seine Genesung nicht zu. Er sollte nicht wirklich vergessen, dass er einmal ein – Monster gewesen war. Endloses Leid wollten sie ihm damit zufügen. Freilich ohne es zuzugeben. All seine entsprechenden Bemerkungen ignorierten sie.
Dabei waren sie so leicht zu durchschauen. Ihre Methode war primitiv und ungemein wirkungsvoll zugleich...
Milton Banks wiederholte die Prozedur des Mundausspülens und Lippenabwischens. Dann stützte er sich schwer auf die Umrandung des Waschbeckens und fixierte abermals sein Spiegelbild, so lange und konzentriert, bis ihm die Augen tränten.
Das Bild verschwamm. Wich anderen, die wiederum wechselten.
Milton Banks sah die Gesichter derer, die sein Schicksal teilten: gefangen wie er und ihres früheren Lebens beraubt. Mochte diese Vergangenheit auch noch so unwert gewesen sein – sie einem Menschen zu nehmen kam dem gleich, als würde man ihm ein Stück seines Herzens aus dem Leibe schneiden. Die Wunde verheilte nie, schmerzte ewig – und am schlimmsten war, dass man nicht mehr wusste, weshalb man
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