BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
die Tiefe stürzte.
Es wäre mir ein Leichtes gewesen, ihn ins Bodenlose stürzen zu lassen. Endlos hätte sein Fall sein können, ewig. Aber ich erlegte ihm eine weitere Prüfung auf, versuchte sein wahres Wesen von neuem hervorzulocken – einen Beweis wollte ich, der mir zeigte, dass er der war, für den ich ihn hielt.
Und so ließ ich ihn endlich in tiefem Staub aufschlagen.
Fast versank er darin, trotzdem konnte ich hören, wie der Aufprall ihn schmerzte. Staub stieg in Wolken auf und verwehrte mir die Sicht auf den Nazarener – und ihm auf das, was ich herbeirief und um ihn her entfesselte...
Als der Staub sich schließlich senkte, lag der Menschensohn noch immer am Boden, schweratmend und hustend. Als er dann den Kopf endlich hob, sah er sich inmitten eines weiten, sandgefüllten Rundes, das von hohen Mauern wie aus erstarrter Lava umgrenzt war. Darüber reihten sich steinerne Bänke aneinander, stufenartig ansteigend, soweit das Auge reichte, und jeder Platz war besetzt von Verdammten, die in dieser Hölle schmorten.
Für all dies aber hatte der Nazarener nur einen flüchtigen Blick. Denn seine Aufmerksamkeit fesselte, was mit ihm in der Arena war –
– Kreaturen, die man auf Erden
Monstren
genannt hätte!
Keine der dämonischen Bestien sah der anderen gleich. Manche ähnelten zwar einem Raubtier, doch ihre Schädel unterschieden sie voneinander. Andere hatten geschuppte Leiber oder peitschende Schwänze, deren Kraft allein reichte, einen Mann zu erschlagen. Zähnestarrende Mäuler wurden aufgerissen, stinkender Brodem erfüllte die Arena, und in den Ohren schmerzendes Brüllen donnerte dem Nazarener entgegen.
Noch lauter aber war das Geschrei der Menge, deren Verdammnis es war, auf ewig um diese Arena zu sitzen, um die grausamsten Spiele mit anzusehen.
Die Ungeheuer machten noch keine Anstalten, den Nazarener anzugehen. Sie warteten – auf meinen Befehl. Und ich genoss es noch, ihn zu beobachten, mich an seinem Unverständnis zu weiden.
Bis er mich über die Distanz hinweg in den Rängen ausmachte. Unsere Blicke trafen sich, und mir war, als verändere sich etwas in dem seinen. Das Flackern wich aus seinen Augen, Ruhe überkam ihn, und der Schmerz seines vom Sturz geschundenen Leibes schien ihm nicht länger bewusst zu sein.
Ich nickte, und er mochte meinen, die Geste gelte ihm. Tatsächlich aber war sie den monströsen Kreaturen bestimmt –
– und sie griffen den Nazarener an!
Das Publikum brüllte auf – nicht vor Vergnügen, wie in den Arenen der Menschenwelt, sondern vor Entsetzen. Weil sie wussten, was kommen würde, weil sie es tausendmal und öfter schon hatten mit ansehen müssen.
Der Nazarener war flink und geschickt, anders als ich es von einem Mann, dessen Stärke das Wort war, erwartet hätte. Er wich schlagenden Pranken aus und entging zuschnappenden Fängen.
Dennoch, er stand den Monstren nur mit bloßen Händen gegenüber, und seine Kräfte mussten irgendwann erlahmen.
Meine Stimme übertönte das Schreien des Publikums auf einem Wege, der nur den Nazarener erreichte.
»Besinne dich deiner wahren Stärke«, forderte ich ihn auf. »Zeig mir, wer du wirklich bist. Nur dann wirst du bestehen!«
Gehetzt sah er in meine Richtung.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst!«, rief er keuchend.
»Bist du der Sohn Gottes?«, Meine Frage brauste wie Sturm um seinen Kopf.
»Jeder Mensch ist ein Kind Gottes«, antwortete er. »Und nicht mehr bin ich.«
»Dann rufe Ihn, deinen Gott!«
»Gott hilft mir, wenn Er es bestimmt.«
Ich lachte gehässig. »Es scheint, als habe Er kein Auge auf dich. Dein Gott hat dich verlassen!«
»Niemals!«
»Bitte
mich
um Hilfe, und ich werde dir helfen«, bot ich ihm an. »Bete mich an, und ich werde dein neuer Gott sein!«
Der Nazarener schwieg. Er stand starr und sah zu mir herauf. Was um ihn herum vorging, schien ihm nicht länger von Interesse. Vollkommen ruhig klang seine Stimme, als er sagte: »Nein. Eher sterbe ich, als dass ich meinem Herrn abschwören würde.«
»Wie du willst.«
Sie zerrissen den Nazarener nicht, sie verletzten ihn noch nicht einmal ernsthaft. Aber sie schlugen ihn wieder und wieder zu Boden und schürten seinen Schmerz mit Zähnen und Klauen. Doch seine Lippen schienen wie versiegelt; kein Ton kam ihm darüber.
»Wie lange noch?«, fragte ich ihn. »Willst du dein Leben lassen deines Glauben wegen?«
»Himmlischer Vater, hilf mir«, stöhnte er leise.
»Falsche Antwort«, gab ich bedauernd
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