BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
nur sein Äußeres, als gehe er durch sein Gesicht hindurch und tief in sein Innerstes, wo seine geheimen Wünsche ruhten – und seine Ängste.
Der Nazarener hieß ihm mit einer Geste, sich neben ihn zu setzen. Bartholomäus tat es, und wie zufällig hob der Nazarener das Gewand des Jungen. Hastig rückte Bartholomäus von ihm ab und zog den Stoff wieder über die nackte Haut seines Rückens.
Aber ein Blick in das Gesicht des Nazareners genügte, um zu wissen, dass er alles gesehen hatte: die dunklen Flecken, die Schrammen und Striemen...
Und ohne Zweifel zog der andere die richtigen Schlüsse daraus. Dazu musste man noch nicht einmal sonderlich weise sein...
»Wer tut dir das an?«, fragte der Nazarener, so leise jedoch, dass nur Bartholomäus ihn hören konnte.
»Niemand«, antwortete er rasch. »Ich bin gestürzt, oft sogar. Bin eben ein Tollpatsch, ein nichtsnutziger...« Bartholomäus senkte das Gesicht, vor Scham und Erschrecken. Wie konnte er diesen Mann nur anlügen? Und dann noch annehmen, er würde die Lüge nicht durchschauen?
»Das sind nicht deine Worte«, stellte der Nazarener fest. Sein Ton klang väterlich, und Bartholomäus spürte allein deshalb schon etwas wie einen schmerzhaften Stich ins Herz.
»Wessen Worte sonst?«, gab er trotzig zurück.
»Es sind die Worte desjenigen, der dich geschlagen hat«, meinte sein Gegenüber, und dann fügte er völlig überraschend hinzu: »Du solltest mit mir gehen, junger Freund. Begleite mich und verlasse diesen Ort.«
Bartholomäus saß wie versteinert. Dann stieg Wärme in ihm auf, flutete seine Brust und füllte sie mit Hoffnung – die im nächsten Moment jedoch schon wieder schwand, schneller als sie gekommen war.
Abermals senkte er den Kopf.
»Ich kann nicht«, flüsterte er tonlos. Und nach kurzem Schweigen: »Ich darf es nicht.«
»Folge deinem Herzen«, riet der Nazarener. »Lausche seiner Stimme und tue, was sie dir sagt.«
»I-ich muss gehen«, stieß Bartholomäus hervor und sprang auf. Er stürmte auf die Menge zu, und diesmal hatte er keine Hemmungen, sich mit Ellbogen und Fäusten seinen Weg hindurch zu bahnen.
Bartholomäus floh vor der Hoffnung, die der Nazarener in ihm geweckt hatte – und die ihn ängstigte, weil sie jedes Verbot, das ihm auferlegt war, verletzte.
Er rannte dorthin, wo es keine Hoffnung für ihn gab...
... »nach Hause«.
Bartholomäus' Wange brannte, als stünde sie in Flammen, und Blut lief ihm aus einer Kopfwunde übers Gesicht. Hart war er mit der Stirn gegen die Wand geschlagen, getrieben von der Gewalt einer Ohrfeige.
»Wo treibst du dich herum, verdammter Bengel?«
Bartholomäus krümmte sich im Winkel zwischen Mauer und Boden zusammen, als er sah, wie sein Onkel mit dem Fuß ausholte. Die Arme, die er schützend um sich schlang, nahmen dem Tritt die ärgste Wucht. Dennoch trieb es ihm die Luft aus den Lungen, und tagelang würde ihn jeder Handgriff schmerzen.
»I-ich wollte nicht –«, setzte er an, doch das dröhnende Organ seines Onkels übertönte ihn.
»Du wolltest nicht! Ganz recht, gib's nur zu. Du wolltest nicht tun, was ich dir aufgetragen hatte! So ist es!«, Wieder schlug der fette Riese zu. Seine riesigen Hände klatschten in Bartholomäus' Nacken. »Steh auf, Bürschlein! Los!«
»J-ja, Onkel.« Zitternd kam Bartholomäus in die Höhe, die Wand als Stütze nutzend.
Ein derber Stoß trieb ihn bis zur Stiege, die ins Obergeschoß des Hauses führte. Am Geländer suchte der Junge Halt, doch das Holz war so brüchig, dass es unter seinem Gewicht nachgab und splitternd entzwei brach.
Schon war Zahel hinter seinem Neffen; seine Leibesfülle tat seiner Wendigkeit seltsamerweise keinen Abbruch. Links und rechts schlug er Bartholomäus ins Gesicht.
»Was fällt dir ein? Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, tobte Zahel. »Ruinierst mein Haus, in dem ich dich so großzügig aufgenommen habe?«
»D-das wollte ich nicht«, wimmerte Bartholomäus und duckte sich in Erwartung weiterer Schläge.
»Wollte ich nicht, wollte ich nicht«, äffte der Fette ihn nach. »Weißt du, was
ich
wollte, Mistkerl? Ich wollte, dass ich dich nicht zu mir genommen hätte, nachdem deine Alte verreckt war! Du taugst zu nichts. Hätte dich davonjagen sollen, vielleicht hätten wenigstens die Ratten etwas an dir gefunden!«
»Bitte, Onkel, sagt das nicht. Ich tu ja alles, was Ihr von mir verlangt –«
»Ich verlange nichts!«, behauptete Zahel aufgebracht. »Ich erwarte nur ein wenig Respekt
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