BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
nicht auf Uriel gerichtet waren, fast nur Hässlichkeit fanden. Die Welt, auf der diese Blicke ruhten, die Welt, die jedem Zugriff entrückt war, hatte sich gewandelt. Die Menschen waren beinahe wieder dort, wo sie schon einmal gewesen waren.
Damals hatte eine Flut sie und ihre Sünden hinweggeschwemmt. Doch diesmal (vielleicht auch schon damals?) traf die Schuld nicht sie allein. Ein vielgesichtiger Verführer hatte sie so weit getrieben: Das Böse in zahllosen Masken. Die dunkle Macht LUZIFER, die erneut einen Boten entsandt hatte, entschlossener als jemals zuvor, den eigenen Kerker, die Mauern der Hölle zu sprengen, hinter die der gefallene Engel von seinesgleichen verbannt worden war!
"Wenn wir Michael zu uns holten", ergriff Gabriel das Wort – Gabriel, der sich seines Namens schämte, seit entsetzlicher Missbrauch damit betrieben wurde –, "würden wir der Apokalypse Tür und Tor öffnen!"
"Michael?" Uriel lachte in einer Weise, dass sich Phanuel veranlasst sah, sauren Regen aus der Illusion von Himmel herabfallen zu lassen. Auch der Regen war Illusion. Keiner der anderen Engel fühlte ihn, wie Phanuel ihn in fetten Tropfen auf seine Onyxgestalt herab prasseln spürte. Sie alle dekorierten ihren Kerker nach eigenem Ermessen und Geschmack. "Michael ist nicht mehr! Wenn wir aber von dem reden, zu dem er aus freiem Willen geworden ist, von Salvat also, sollten wir uns
hüten
, noch einmal so vorschnell zu handeln wie... Nun, ihr wisst, was ich meine."
"Michael – oder Salvat – zu uns zu holen, das hieße", sagte Phanuel, "dass wir das nahende Ende noch beschleunigen. Er hat das
Tor
mit sich selbst verschweißt, als kein anderes Siegel mehr standhielt! Aber lange kann auch er diesen Kraftakt nicht mehr bewältigen. Denn nicht nur von jenseits der Schwelle pocht der Gefallene immer stärker gegen das
Tor
– auch diesseits hat sich die Situation radikal verschlechtert. Der Knabe, der deinen Namen besudelt", Phanuel blickte zu Gabriel, "zieht sämtliche Register. Jerusalem steht kurz vor dem Fall. Und die Zone der Vernichtung wächst. Das Heer, das er erweckt hat, scheint unbesiegbar. Die Menschen sind hilflos, und wir..." Der saure Regen gefror zu aschfarbenen Flocken. "... und wir sind es auch."
Eine Weile schwebte die Stille zwischen den Statuen, als wäre sie vor Scham geronnen.
Nach Phanuels Worten setzte sich eine der Figuren aus Onyx in Bewegung und kam stampfenden Schrittes auf ihn zu. Ein Titan, dessen Gewicht das Geröll der Ebene dort, wo die Füße aufsetzten, zu Staub zermalmten. Es war Raphael, der zornig die Stimme erhob, dass es wie Donner zu den Horizonten rollte.
"Wann", fragte er, "wollen wir endlich aufhören, uns selbst zu belügen? Wann wollen wir endlich wieder Taten sprechen lassen?"
Wie Beben durchlief es die Körper der anderen.
Raphael legte den Daumen in eine Wunde, die nie verheilt war und nie verheilen würde.
"Was
könnten
wir deiner Meinung nach tun?" fragte Uriel, als alle anderen schwiegen.
"Muss ich euch das erst sagen?"
"Vielleicht haben wir wahrhaftig
vergessen
, wozu wir einstmals fähig und... verpflichtet waren."
"Dann wäre die Schande komplett. Aber gut, höret, ich sage euch, was wir nicht nur tun könnten, sondern müssten: Wir müssten Michaels Beispiel folgen und uns dem Vollstrecker des Bösen entgegenstellen,
Ihn
stellen und zur Verantwortung ziehen, wie es Michael schon einmal, aber leider nicht auf Dauer gelungen ist – als Salvat!"
"Dem Teufel?"
"Ja!"
"Du vergisst, was Salvats Manifestation in der Welt angerichtet hat. Seine Entsendung hat erst die Lücke in Luzifers Kerker verursacht! – Willst du noch einen Riss im Kontinuum riskieren?"
In Onyx gegossen, wirkte Raphael düster und hoffnungsvoll in einem. "Wenn ihr davon redet, Michael zu uns zurückzuholen, um es ihm zu ersparen, von der Apokalypse mit verschlungen zu werden, dürfte mein Vorschlag kein vermehrtes Risiko darstellen. Oder fürchtet ihr euch, in den Kampf gegen Luzifers Inkarnation zu treten? Habt ihr Angst zu
sterben
...?"
"Können Engel sterben?"
"Nichts ist ewig außer dem, der uns verlassen hat."
"Vermutlich..." Uriel presste die Lippen zusammen. Lippen aus Stein. Und selbst die Lider, die sich in Farbe und Beschaffenheit nicht vom Rest des "Leibes" unterschieden, senkten sich kurz über die Augen, die Phanuel erdacht hatte.
"Ich", fuhr Raphael, kaum abgeschwächt in seinem Zorn, fort, "ich habe keine Angst, auch das Schmerzlichste auf mich zu nehmen, was mir
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