BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Schädelstruktur aufzulösen schienen und ihrem Kopf eine solche Transparenz verliehen, dass das Gehirn silbrig leuchtend sichtbar wurde.
Schmerzen empfand sie dabei nicht. Jedenfalls noch nicht.
"Wie armselig das Organ ist, das eure Seelen bindet", murmelte Gabriel, als spräche er längst nicht mehr zu ihr, sondern nur noch mit sich selbst. "Ich könnte meinen Finger hinein tauchen, und damit würde sämtliches Wissen verlöschen, das sich über Jahrhunderte in dir angehäuft hat... Verrückt und verschwenderisch. Es wird Zeit, dass neue Schöpfungen größere Robustheit beweisen..."
Was – tust du?
bettelte Rona diesmal förmlich um Aufklärung.
Was tust du mir an...?
"Du bist auserwählt, die anderen Werwölfe zu befehligen und zu führen. Wohin auch immer ich dir befehle."
Ja. JA! Das weiß ich. Das hast du mir gesagt. Aber warum –
"Damit du effektiv arbeitest", schnitt Gabriels Stimme in ihre Gedanken, "werde ich dein Hirn mit den Hirnen der anderen vernetzen."
Rona selbst blieb der Blick in den eigenen Schädel verwehrt. Was sie aber sah, waren die Blitze, unzählige Strahlen, die, noch während Gabriel sprach, aus ihrem Kopf hervorbrachen und sich – ähnlich wie das Rubinrot der Archonten – durch die gespenstisch erhellte Nacht bohrten.
Silberne Fäden, die irgendwo...
... einschlugen.
Alle zugleich. Und dann –
Allmächtiger!
"Der einzige Allmächtige, den es bald noch geben wird, bin ich!"
Gabriels Schwur blieb nicht in Ronas Gedächtnis haften. Aber sie übertrug ihn genauso wie sie ihn hörte in die Abertausende fremder Gehirne, die den Willen Satans bislang unkoordiniert erfüllt hatten.
Das änderte sich in derselben Sekunde.
Fortan ordnete
ein
Kopf die Krieger Armageddons. Und Gabriel enthüllte Rona oben auf dem Ölberg, wo das nächste Schlachtfeld liegen würde. Nach Jerusalem, das in Rauch erstickte, in Blut ertrank und aus seinen Trümmern aufbrüllte!
Armageddon jedoch, das vom Bösen heraufbeschworene Jüngste Gericht, würde sich an einem anderen Ort erfüllen...
2. Kapitel
Das Lager
"... und über allem fliegen Vögel mit lodernden Schwingen.
Der Widersacher ist ganz nah. Der Widersacher ist ein Magnet, ist das Auge des Strudels, ist das unwiderstehliche Zentrum eines Schwarzen Lochs...
... Hierher, ruft der Widersacher. Hier bin ich."
Raj Sallar sah auf von seiner Lektüre. Das schwindende Licht erschwerte ihm das Lesen, seine Augen tränten ein wenig... und Raj Sallar schauderte, was weder allein am Inhalt des hierzulande verbotenen Buches lag, noch daran, dass der sterbende Tag ihn in seinen totenkalten Atem wob. So half es dem irakischen Soldaten auch wenig, dass er den Kragen seiner Uniformjacke fester schloss und näher an den einzelnen Felsen heranrückte, der wie die Nasenspitze eines vergrabenen Riesen aus dem Wüstensand lugte.
Die Kälte hatte mit diesem Ort selbst zu tun. Es war, als stünde hier die Tür zum Jenseits einen Spalt weit auf...
"Was liest'n da überhaupt, he?"
Nichts, was du auch nur ansatzweise verstehen würdest, du Idiot,
dachte Raj Sallar, aber er sagte nichts. Er sah nicht einmal hin zu Mosh Espa, sondern wandte im Gegenteil sein Gesicht noch ab, weil die Schnapsfahne des anderen ihm Übelkeit verursachte.
"Zeig mal her", verlangte Espa und grabschte unbeholfen nach Sallars Lektüre, einem behelfsmäßig gebundenen Packen fotokopierter Loseblätter, die zwischen zwei schmucklosen, unbeschrifteten Pappdeckeln steckten.
"Lass das", warnte Raj Sallar und verstaute das selbstgebastelte Buch in seiner Jacke.
"Arschloch", grunzte Mosh Espa.
"Danke, gleichfalls."
Raj Sallar grinste flüchtig, als ihm aufging, dass er mit seiner Bemerkung den Nagel auf den Kopf getroffen hatte – sie waren beide Arschlöcher. Arme Schweine. Wie alle, die an diesen öden Ort verbannt worden waren, um... ja, um ein Loch im Wüstensand zu bewachen.
Kurz ging sein Blick in die Richtung, wo der Krater im Boden gähnte, so dunkel, als falle nicht nur kein Licht hinein, sondern als sei er zudem noch gefüllt mit etwas wie gestaltgewordenen Schatten. Der Anblick bereitete ihm körperliches Unbehagen, und so wandte er hastig den Kopf und schaute hinüber zum Camp, dessen unstete Lichter in der zunehmenden Dämmerung zumindest die Illusion von Wärme und Leben schufen.
"Möchte mal wissen, wozu wir hier eigentlich rumsitzen müssen. Passiert doch sowieso nix..." Mosh Espa schloss die für seine bescheidenen Verhältnisse fast schon
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