BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
höchst vage Hoffnung war es, die Heaven da hegte. Und doch war es die einzige, die ihr und der Menschheit blieb; denn wer, wenn nicht ER, sollte dem Bösen sonst die Stirn bieten können?
Schon einmal war sie IHM begegnet, am Beginn dieser Zeit und Welt, wie es ihre Bestimmung erfordert hatte, und deswegen wollte,
musste
sie dorthin zurück, durch den magischen Korridor, bis hin an dessen Anfang – und dann...?
Darüber wollte Heaven nicht nachdenken, nicht jetzt. Dafür würde (musste!) Zeit sein, wenn sie ihr eigentliches Ziel erreicht hatte.
Bis dahin lag jedoch noch ein unfassbar weiter Weg vor ihr. Denn Uruk mit dem Tor zum Tunnel war nicht mehr als eine Zwischenstation. Trotzdem fürchtete Heaven schon, dass sie nicht einmal diese Etappe schaffen würde.
Jeder Flügelschlag tat mittlerweile so weh, dass sie meinte, der schiere Schmerz müsste sie umbringen. Wie sollte sie in solcher Verfassung die gewaltige Aufgabe bewältigen, die sie sich aufgebürdet hatte?
Weil ich es MUSS!
schrie sie sich selbst an, und tatsächlich gelang es ihr damit, sich regelrecht anzufeuern.
Weiter. Weiter! WEITER!
Und dann – Uruk! Endlich.
Heaven spürte die Nähe des mystischen Ortes, noch ehe ihre Fledermaussinne sein Bild auffingen und in ihre Wahrnehmung projizierten. So oft war sie schon hier gewesen, so fest verknüpft war ihr Schicksal mit Uruk, dass sie es wohl auch blind gefunden hätte.
Die kraterähnliche Vertiefung, in der Heaven den Eingang zum Korridor wusste, lag noch in einiger Entfernung. Unter sich nahm sie schlichte Bauten wahr, Baracken, ein paar Zelte dazwischen.
Von ihrem vorigen Besuch in Uruk, als sie Beth MacMoores Seele aus dem Tunnel befreit und den Hohen Anum gefunden hatte, wusste Heaven, dass es sich bei der Gebäudeansammlung um ein Militärcamp handelte. Vor wenigen Wochen erst war sie hier gewesen und hatte die Lagerbesatzung hingemeuchelt vorgefunden. Jetzt allerdings "sah" Heaven, dass das Camp wieder belebt, neu besetzt war.
Egal
, sagte sie sich,
kümmere dich nicht darum. Du musst zum Tor! Nichts sonst zählt!
Noch einmal gelang es ihr, die ledernen Schwingen heftiger zu bewegen. Der kleine Leib gewann an Geschwindigkeit, raste fast in die Richtung des Korridors, als hauche dessen bloße Nähe ihr Kraft ein.
Ganz in der Nähe des Zustiegs gewahrte sie zwei Gestalten, deren Abbild undeutlich blieb, weil Heaven ihnen kaum Beachtung schenkte; zu unwichtig waren sie – zu wichtig ihr eigenes Ziel.
Die Fledermaus breitete die Flügel aus, ging tiefer, segelte der dunklen Öffnung im Boden zu –
Ein Knall, so laut, dass Heaven meinte, er würde ihren winzigen Schädel sprengen!
Dann – Schmerz! Als würde eine glühende Faust ihre Schwingen durchschlagen.
Heaven schrie auf, so schrill, dass kein Mensch sie hörte –
– und stürzte ab.
Raj Sallar wartete auf den Tod. Er tat es starr vor Schrecken und fast blind, weil er mitten in das grelle Mündungsfeuer der Pistole hineingeschaut hatte.
Aber nichts geschah. Nur das Echo des Schusses verklang wie rollender Donner, vermengte sich mit Mosh Espas hechelndem Lachen zu einem geradezu bizarren Geräusch.
Allmählich klärte sich Sallars Sicht. Schemenhaft erkannte er Espa, der sich in diesem Augenblick in Richtung des Kraters umdrehte, dann eilig über den Rand hinabstieg und Salars Blicken entschwand.
Raj Sallar spürte, wie die Kälte des Entsetzens aus ihm wich und etwas anderes an ihre Stelle trat: Wallende Hitze brodelte förmlich in ihm hoch, so heiß, dass er meinte, sie müsste ihn innerlich verbrennen. Er musste ihr ein Ventil verschaffen, wenn er unter dem Druck nicht explodieren wollte, und dieses Ventil konnte nur Mosh Espa sein! Er wollte ihm vor Zorn und Hass ins Gesicht schlagen, ihn niederprügeln, diesen Wahnsinnigen, und –
"Bei Allah!" dröhnte es da dumpf aus der finsteren Tiefe des Loches im Wüstenboden. Dann, leiser und hörbar fassungslos: "Das gibt's doch nicht! Ich glaub' es nicht... Sallar! Komm! Schau dir das an, verdammt, das musst du sehen!"
Und Raj Sallar kam. Aber nicht aus Neugierde; immer noch lohte blanke Wut in ihm. Er sah buchstäblich rot, rannte wie durch Nebelschleier aus sprühendem Blut, und seine Fäuste prickelten, als koche es darin.
Jenseits der Abbruchkante führten steinerne Stufen in das Loch hinab. Raj Sallar kannte kein Zögern mehr, stürmte die Treppe regelrecht hinab – und blieb mit einem erschrockenen Aufschrei stehen, noch ehe er Mosh Espa erreicht hatte...
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