BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
wandte sich um. Ebenso unsicheren wie schweren Schrittes stapfte er durch den Sand auf das finstere Loch zu.
Raj Sallar zwang sich dazu, sich im Dämmerlicht des nahenden Abends auf die Schriftzeichen des Buchtextes zu konzentrieren, aber sie wollten keinen Sinn ergeben. Obwohl sich Espas Schritte entfernten, schienen sie Sallar dröhnend laut. Endlich gab er nach, sah auf und dem anderen nach. Die Hälfte der Distanz zu dem Loch hatte Mosh Espa schon zurückgelegt.
"Verdammt, warte! Komm zurück!" rief Raj Sallar ihm nach.
Doch Espa lachte nur. "Ach, leck mich!" Er winkte dem anderen. "Komm doch her, wenn du dich traust!" Als sei es um seine eigene Traute nicht zum besten bestellt, trank Espa sich noch einmal Mut an und lief dann schwankend weiter.
Raj Sallar zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen und ballte die Faust, während er Espa aus geschmälten Augen nachsah. Es ging nicht so sehr darum, dass er sich vor dem fürchtete, was möglicherweise in diesem Krater lauern konnte; er wollte vor allem eines: nicht auffallen, solange er hier festsaß.
Dienst nach Vorschrift wollte er tun, mehr nicht. Und dieser Dienst sah nichts anderes vor, als dass er und sein Kollege während der sechs Stunden, da sie eingeteilt waren, in der Nähe des Loches blieben, die Augen offen hielten – und sonst gar nichts taten. Wer unnötig Aufmerksamkeit auf sich zog, dessen war sich Sallar sicher, würde nicht von diesem Posten am Arsch der islamischen Welt abgezogen werden. So denn überhaupt Ablösung kommen würde, irgendwann...
Und Espa, dieser besoffene Blödmann, war buchstäblich auf dem besten Wege, solche Aufmerksamkeit zu provozieren!
Raj Sallar sprang auf und rannte los, dem anderen nach.
"Bleib stehen!" rief er. "Ich warne dich –!"
"Du warnst mich?" Mosh Espa lachte hämisch. "Wovor? Willst du mich abknallen, wenn ich nicht stehenbleibe?"
"Fordere es nicht heraus", erwiderte Sallar.
Espa hatte den Rand des Loches fast erreicht, und zu Raj Salars Überraschung blieb er stehen, drehte sich um –
– und reckte beide Arme in seine Richtung. Ein vereinzelter Sonnenstrahl brach sich matt schimmernd auf dem Metall, das Espa in den Fäusten hielt.
Der Narr zielt mit seiner verdammten Knarre auf mich!
durchfuhr es Sallar. Wie vor eine Wand gelaufen blieb er stehen, die Hände halb erhoben.
"Mann, lass den Quatsch", sagte er, nicht ganz so ruhig wie beabsichtigt. Er traute dem Betrunkenen durchaus zu, dass er abdrückte, aus welchem Grund auch immer – und sei es nur aus Versehen. "Steck das Ding weg, mach schon", verlangte er, und er hasste sich fast dafür, dass seine Stimme so bettelnd, beinahe schon jämmerlich klang. "Ich will keinen Ärger, verstehst du? Das musst du doch –"
Sallar brach ab, wollte aufschreien, doch der Laut blieb ihm im Halse stecken. Er wollte sich fallen lassen, aber er konnte sich nicht rühren, war wie gelähmt –
– als Mosh Espa eine Winzigkeit in die Knie sackte, irgendetwas Unverständliches rief...
... und feuerte!
Uruk war ein Dreh- und Angelpunkt für Heaven, ohne Zweifel.
Dieser Ort, an dem der Zugang zum Korridor durch die Zeit lag, war in der Vergangenheit (selbst am Anfang der Zeit schon!) Schauplatz der einschneidendsten Ereignisse ihres Lebens gewesen. Und fast fühlte sich die Halbvampirin wie durch einen Fluch an diesen wüsten Fleck gekettet, eine Fessel, die sie, so schien es, niemals abstreifen sollte...
... denn einmal mehr kehrte sie jetzt nach Uruk zurück.
Mit keinem geringeren Ziel als dem, die Menschheit und die Erde selbst zu retten!
Welch lächerliche Absicht
, fuhr es durch Heavens Hirn,
angesichts der Größe der Bedrohung, die über dieser Welt schwebt...
Sie unterdrückte die Selbstzweifel und forcierte ihre Anstrengung, mobilisierte jedes Quäntchen Kraft, dessen sie noch habhaft wurde, und ignorierte den sengenden Schmerz, der jeden Muskel ihres geflügelten Leibes in Brand gesteckt zu haben schien.
Wenn ich es nicht schaffe
, versuchte Heaven frischen Mut aus fast versiegter Quelle zu schöpfen,
WER DANN?
Dieser Gedanke entsprang keiner Selbstüberschätzung.
Längst schon peitschten ihre Schwingen die Luft nicht mehr, sie rührten nur noch darin, stemmten den pelzigen Körper voran. Und mit ihm das Gewicht, das Heaven in den Krallen hielt – den Lilienkelch, den sie in Jerusalem dem Teufel gestohlen hatte, weil nur der vampirische Gral ihr den Weg dorthin öffnen konnte, wo sie Hilfe gegen das Böse zu finden hoffte.
Eine
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