BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
doch wieder zu versagen?"
"Was geschehen ist", sagte der Arapaho, "sollte dich nicht verzagen lassen, sondern stärken. Du kennst nun den Grund, wie es angehen konnte, dass die Bestie in dir erwachte. Ein zweites Mal wird es ihr nicht gelingen. Du bist schlauer als der Wolf in dir."
"Aber weder schlauer noch stärker als der, der den Wolf zu wecken wusste."
"Gemeinsam sind wir es." Makootemane wandte den Kopf und wartete, bis Chiyoda ihm das Gesicht zudrehte. Ruhig sah er in die wässrigen Augen des anderen. "Haben wir es nicht bewiesen, indem wir dir den Weg aufzeigten in diese Wirklichkeit? Erinnere dich, dass wir mehr nicht getan haben – gegangen bist du diesen Weg allein, aus freiem Willen und eigener Kraft. Wie viel Hoffnung brauchst du noch?"
Soviel Vertrauen und Überzeugung lagen im Ton des Arapaho, dass Chiyoda unweigerlich lächelte, müde zwar, aber aus tiefem Herzen. Vielleicht hatte der uralte Indianer recht. Letztlich hatte er, Chiyoda, die Stärke aufgebracht, sich selbst zu helfen. Er hatte der unbändigen Mordlust, die das Zeichen des Schöpfers aller Werwölfe in ihm und allen Fluchträgern geweckt hatte, entsagt – einmal mehr, wie vor unzähligen Jahren schon. Er war ein weiteres Mal entkommen in eine andere Wirklichkeit, wo der Keim des Wolfes ohne Macht über ihn war. Natürlich hatten seine Freunde ihm dabei geholfen, den entscheidenden Schritt allerdings hatte er selbst, ganz allein tun müssen – und er hatte ihn getan!
Es mochte stimmen, was Makootemane gesagt hatte: Er, Chiyoda, durfte nicht mehr verlangen. Er hatte das Höchstmaß aller Erwartungen, die er an sich selbst stellen konnte, erfüllt. Aber –
"– die anderen", sagte er leise, und von der Kraft, die er eben noch in sich gespürt hatte, gelangte kaum etwas in seine Stimme, "sind es, um die ich mich sorge. Was wird mit ihnen? Zu welchem Zweck werden sie missbraucht? Ich möchte – nein, ich
muss
ihnen helfen..."
"Du bist nicht verantwortlich für ihr Tun", meinte Makootemane.
"Und du kannst ihnen nicht helfen!"
Eine dritte Stimme mischte sich in die Unterhaltung, die eines nur optisch jüngeren Mannes. Tatsächlich währte auch Hidden Moons Vampirleben schon seit über dreihundert Jahren. Begonnen hatte es, wie Makootemanes, nachdem er aus dem Lilienkelch getrunken hatte.
Als Adler kam er zu den beiden anderen Männern. Noch im Landeanflug schlüpfte er in menschliche Gestalt, setzte auf und lief seinen Schwung in drei, vier Schritten aus. Dann gesellte er sich zu Makootemane und Chiyoda.
"Scharfe Ohren", meinte Chiyoda.
Hidden Moon zuckte die Schultern. "Es war nicht schwer zu erraten, worüber ihr sprecht. Ihr kennt kein anderes Thema, seit wir hier sind." Sein Blick schweifte in die Runde, über sattgrüne Wiesen mit blühenden Blumen, zum Horizont hin abgegrenzt durch bewaldete Hügel.
Vielleicht hatte Chiyoda bei seiner Flucht aus ihrer aller Welt ganz bewusst diese Wirklichkeit gewählt, die so paradiesisch anmutete. Seine Ängste und Nöte indes hatte er hierher mitnehmen müssen.
"Vergiss sie", nahm der jüngere Vampir den Faden des Gesprächs wieder auf.
"Wie könnte ich das?" Entrüstung färbte Chiyodas Ton hell. "Sie sind wie... meine Kinder!"
"Nicht immer kann ein Vater seinen Kindern helfen", sagte der Arapaho. Ganz kurz nur sah er zu Makootemane hin. Den aber traf auch dieser flüchtige Blick wie ein Hieb.
Fast schmerzhaft verzog der Alte das Gesicht. "Ich bin nicht allwissend", verteidigte er sich. "Ich wünschte, ich könnte dir helfen oder auch nur raten, aber –"
"Schon gut", wehrte Hidden Moon ab. Wie beiläufig fuhr er sich mit der Hand unter das Nackenhaar und berührte den schmalen Gefiederstreifen, der ihm dort aus der Haut spross. Das Merkmal aller Arapaho-Vampire, ein Zeichen der Verbundenheit zu ihren Totemtieren, den Seelenadlern, mit deren Hilfe sie dem dunklen Trieb ihres schwarzen Blutes hatten entsagen können.
Normalerweise entsprach die Färbung dieses Gefieders dem des Adlers, dem ein Arapaho verbunden war. Hidden Moons Nackenfedern aber hatten sich verändert, sie waren schneeweiß geworden, weiß wie schwelende Glut, über die sich eine Patina gelegt hat, und er konnte nicht sagen, was diese Verfärbung bedeutete.
Nur eines wusste er inzwischen: Die Veränderung war nicht nur äußerlich. Sie betraf ihn selbst, traf sein Innerstes, und das war es, was ihn nicht nur sorgte, sondern regelrecht ängstigte.
Einer allerdings mochte wissen, was es mit der Entartung des
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