BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
gekommen waren. Sie hatten es geplündert und geschändet, Tattus Schöpfung verhöhnt. Dass er sie ihnen fortnahm, um sie mit seinem eigenen Volk neu zu beleben, war nur verständlich.
Und dass sie selbst zu Dienern dieses neuen Volkes erhoben wurden, war den Alten nicht nur eine Ehre, sondern zugleich eine Bestätigung dafür, dass es richtig gewesen war, all die langen Jahre an der Vergangenheit festzuhalten.
Wenn man es recht bedachte, wurden sie sogar zu mehr als Dienern – zu Brüdern. Denn Tattu nahm vom Blut eines jeden, und damit verband sie etwas mit dem Weltenschöpfer, das nichts zu trennen vermochte. Nur der Tod. Aber der Gedanke an Tod war etwas, das fast augenblicklich, nachdem Tattu von ihnen getrunken hatte, verblasste.
Starr und gebannt lauschten sie seinen Worten. Er erzählte von einer Zukunft, die nur jenen düster erscheinen konnte, die Schuld auf sich geladen hatten und die nun mit ihrem Leben für den Frevel wider aller Tradition büßen mussten.
Die Alten sahen, dass es gut war, und nickten. Sie erfuhren, was Tattu von ihnen verlangte, und sie waren bereit dazu.
Stunden verrannen.
Stunden, in denen Tattu weitere Brüder gebar. Sie lagen noch im Schutz von Kokons, und ein jeder der Alten hatte einen dieser Kokons mitzunehmen, um ihn zu hüten und darauf zu achten, dass nichts und niemand ihm zu nahe kam.
Während Tattu müde von seinem Schöpfungswerk in der Hütte des Schamanen ruhte, nahmen die Alten ihre Geschenke auf und gingen. Die Nacht, die sich fast schon ihrem Ende zuneigte, verbarg sie vor den Blicken jener, die als erste sterben würden.
Nur Maniilaq und Benji blieben zurück.
Sie wachten über Tattus Schlaf.
Sorgten dafür, dass er zu neuen Kräften kam.
Gaben ihm zu trinken, wenn den Vampir danach verlangte.
In einem fort änderte der Wind seine Stärke. In der einen Sekunde strich er als sanfte Brise über die Tundra, in der nächsten war er der stürmische Atem eines unsichtbaren Riesen, um dann übergangslos fast vollends einzuschlafen.
Der pelzige Körper flatterte deswegen wie taumelnd durch die Luft, und das ewige Auf und Ab zehrte zusätzlich zu der weiten Strecke an den Kräften der Fledermaus.
Heaven hatte ihr Blut gewiss schon tausendmal verflucht, weil es zur Hälfte das eines Vampirs war. Doch jetzt, hoch über der tiefverschneiten Tundra Nordalaskas, wünschte sie sich, zur Gänze Vampir zu sein.
Dann hätte auch sie sich in ein Tier verwandeln können wie jenes, dessen Spur sie in sicherer Entfernung folgte – in einen Wolf. Wie Sardon.
So aber war ihr nur die Transformation zur Fledermaus möglich. Und als solche bedeutete der scheinbar endlose Weg einen Kraftakt, der kaum zu bewältigen war.
Jeder einzelne Flügelschlag fraß spürbar an ihren Kräften, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis Heaven jene geheimen Reserven antasten musste, über die wohl jedes Wesen verfügte und die nur dann nutzbar wurden, wenn scheinbar nichts mehr ging.
Jetzt beglückwünschte sie sich dazu, den Retorten-Vampir vor der Station ausgesogen zu haben bis zum letzten Tropfen, obwohl sie schon von der Hälfte seines schwarzen Blutes satt gewesen war. Es hatte fürchterlich geschmeckt, künstlich eben, aber sie hatte sich selbst daran erinnert, dass es womöglich lange dauern konnte, bis sie ein neues vampirisches Opfer fand. Eine »Quelle«, aus der sie jenes Elixier trinken konnte, das sie in dem Maße kräftigte, wie es früher menschliches Blut getan hatte. Und das sie so nötig brauchte, wie ein Mensch Nahrung zu sich nehmen musste. Also hatte sie den Homunkulus förmlich leergesoffen, obwohl ihr beinahe schlecht davon geworden war.
Aber Heaven hatte neben allem Ekel festgestellt, dass dieses »Blut aus der Retorte«, so wenig wohlschmeckend es auch gewesen sein mochte, sie mehr gestärkt hatte als echtes Vampirblut. Als wäre es ein Konzentrat all dessen, was an Nahrhaftem im schwarzen Blut der Alten Rasse steckte. Wäre dem nicht so gewesen, hätten ihre Kräfte wohl längst schon nachgelassen.
Jeder Flügelschlag schmerzte, und es lag nicht allein an der schwindenden Kraft. Heaven war keineswegs derart gefeit gegen Kälte wie die Angehörigen ihres Stiefvolks. Ihr Blut war warm, ihr Körper nicht tot, und so machte ihr die schneidende Kälte arg zu schaffen. Wie mit eisigen Zähnen biss sie sich in ihrer Haut fest, um an Wärme herauszusaugen, was sie nur irgend fand.
Heaven versuchte sich abzulenken. Denn jeder Gedanke, den sie an diese Qualen
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