BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
oben, wo sie mit ihren Kräften haushalten und gegen den kalten Atem der Natur bestehen musste. Sie konnte nur der Spur des grauen Jägers folgen, die sich unter ihr als etwas dunkleres Band im Weiß des Schnees abzeichnete.
Und bald konnte Heaven auch das nicht mehr.
Nicht, weil sie die Fährte verlor, sondern weil die ledrigen Schwingen ihr den Dienst versagten.
Ihre Kräfte waren restlos aufgebraucht. Weil nicht nur die Anstrengung, sondern auch die zunehmende Kälte ihren Tribut verlangten.
Heaven hatte das Dickicht eines Nadelwaldes erreicht, als ihre Flügel sich kurzerhand weigerten, sich auch nur noch ein einziges Mal zu bewegen. Wie eingefroren kamen ihr die Muskeln ihres Körpers mit einem mal vor, und vielleicht waren sie das ja auch.
Heaven stürzte ab. Nicht tief genug, um sich zu ernsthaft zu verletzen, aber der Aufprall war zumindest hart genug, um ihr die Luft aus den kleinen Lungen zu pressen. Mit ausgestreckten Flügeln blieb sie auf dem schneebedeckten Boden liegen. Minutenlang.
Dann zwang sie ihren Körper mit einer fast schmerzhaften Willensanstrengung in menschliche Gestalt. Weil sie nur so in der Lage war, dem Symbionten Befehle zu erteilen. Sie wies ihn an, sie in Kleidung zu hüllen, und die Schwärze floss, wenn auch zögerlich und zäh, über ihre nackte Haut wie flüssiger Teer und formte sich schließlich zu zweckmäßiger und vor allem
warmer
Kleidung.
Die verlangsamte Reaktion des Symbionten war ihr nicht entgangen. Und sie wusste, was sie bedeutete: Früher hatte der Symbiont, der sehr viel mehr war als ein »formbares« Stück Stoff, sich von schwarzem Blut genährt. Dann war ein abgetrenntes Teilstück von Borak »umgezüchtet« worden, weil das Oberhaupt der Sydney-Sippe den Symbionten selbst hatte tragen wollen.
Der Plan war misslungen und Borak längst tot, doch seither verlangte es dieser »lebende Schwärze« – die Heaven als einziges geblieben war, nachdem der restliche Symbiont seinen Platz als Haut der Lilith wieder eingenommen hatte – nach Menschenblut.
Heaven hatte es ihm viel zu lange vorenthalten. Und die Chance, hier in dieser Ödnis auf einen »Spender« zu treffen, war ausgesprochen gering...
Ein Stück entfernt von ihrer »Absturzstelle« entdeckte Heaven die Spur des Wolfes. Sie folgte ihr, langsam, um ihre wiedererwachenden Kräfte zu schonen, und sie lief dabei etwa einen Meter neben der Fährte her.
In der nächsten Minute musste sie feststellen, dass sie besser
in
Sardons Spur getreten wäre.
Als der Schnee unter ihrem rechten Fuß aufwirbelte, einhergehend mit einem metallischen Klacken. Und als sich im selben Sekundenbruchteil stählerne Kiefer um ihren Knöchel schlossen.
Messerscharfe Zähne gruben sich in ihr Fleisch.
Der Schmerz war nicht schlimm genug, um daran zu sterben.
Aber er reichte, um Heavens Bewusstsein auszulöschen.
Der Wolf war in einen kräftesparenden Trab verfallen, so dass er das Tempo über die gesamte Strecke hatte beibehalten können. Die Art des Laufens hatte er sich einst von den Ureinwohner dieses Kontinents abgeschaut, denen es auf diese Weise gelang, stundenlang zu laufen, ohne eine Rast einlegen zu müssen. Gepaart mit Sardons widernatürlichen Kraft war diese Methode geradezu perfekt.
Irgendwann hatte sich zu der Fährte, der er seit Stunden und die ganze Nacht hindurch gefolgt war, eine zweite hinzugesellt. Eine menschliche. Nun fiel es seinem wölfischen Geruchssinn um ein Vielfaches leichter, ihr nachzuspüren. Und es dauerte nicht lange, bis er am Ziel anlangte.
Das Dorf, eher eine kleine Stadt, lag in einer Senke, deren Hänge sanft anstiegen und an ihrem Kämmen schließlich in den Wald übergingen, in dessen Schutz Sardon sich hielt. Das Dämmerlicht des beginnenden Tages mochte ihn vor menschlichen Blicken verbergen, aber er wusste nicht, wie es um die Sichtweise der neuen Rasse bestellt war.
Zwei Straßen durchzogen den Ort da unten; in der Mitte der Ansammlung von Häusern kreuzten sie sich. Die Gebäude selbst boten einen kuriosen Anblick, denn sie waren von unterschiedlichster Bauart.
Es gab einige, die jenen ähnelten, wie man sie auch »drunten im Süden« in den Kleinstädten und Vororten fand. Andere waren bloße Hütten, errichtet aus rohen Stämmen und Grassoden, und sie sahen aus wie übriggeblieben aus einer Zeit, die selbst hier längst vergangen sein musste. Sie standen vor allem zum Ortsrand hin, ein paar von ihnen schon auf den Hängen, während das Städtchen in der Mitte
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