BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Aufmerksamkeit.
Sie und das fürchterliche Bild, das Cuffey bot. Für alles andere war Mem nahezu taub und blind. Geradezu quälend langsam schälten sich weitere Details aus dem Nebel, hinter dem der Rest der Szenerie für ihn verborgen lag.
Da waren drei junge Burschen, von denen allein der Älteste die Zwanzig schon erreicht hatte. Ihre Ähnlichkeit zueinander resultierte jedoch nicht nur aus ihrer Jugend. Ihre Gesichter schienen beinahe wie aus einem Guss, und Verschlagenheit nistete in jedem ihrer verkniffenen Züge. Der auffälligste Unterschied zwischen ihnen war die Wahl ihrer Worte: Einer versuchte den anderen in puncto Unflätigkeit zu übertreffen, wenn es darum ging, den bedauernswerten Sklaven zu verfluchen. Und wenn einem keine üblere Beschimpfung einfiel, versuchte er das Manko seinen Brüdern gegenüber mit Lautstärke wettzumachen.
Drei Schritte von diesem Dreiergespann entfernt stand ein Mann, dessen Alter die Ähnlichkeit zu seinen Söhnen ein wenig verwischte. Aber auch die Härte der Falten in seinem Gesicht unterschied den Vater von den Sprösslingen. Wie mit einem Messer hineingeschnitten zeichneten sich die Linien auf der wächsernen Haut ab, die im Widerschein des Fackellichtes rötlich glühte. Jacques La Foré, der Herr von Resolute, beobachtete das grausige Schauspiel schweigend, und gerade deswegen wirkte er auf die heimlichen Beobachter um ein Vielfaches gefährlicher, bedrohlicher als seine Söhne.
Die drei Burschen hörten nicht auf, den fünften Weißen, der zu den Akteuren zählte, anzufeuern. Rudge Vandermeere war weniger nobel gekleidet als die La Forés, hatte die Ärmel seines Leinenhemdes hochgekrempelt. Seine Hände steckten in gepolsterten Reithandschuhen – zum Schutz vor den scharfen Krallen des fast schon monströs großen schwarzen Katers, den Vandermeere an den Hinterläufen hielt. Das Tier zappelte im Griff des Sklavenaufsehers von Resolute, und es begann zu kreischen und zu fauchen, als Vandermeere damit ausholte.
Winzigen Rasiermessern gleich schnitten die Krallen in Cuffeys schwarze Haut und rissen das Fleisch darunter auf. Das Geschrei des Tieres ging vollends unter in Cuffeys Brüllen.
Vandermeere holte von neuem aus...
»Genug.«
Jacques La Foré sprach fast leise, sein Gesicht regte sich kaum dabei, nicht einmal seine Lippen schienen sich sichtlich zu bewegen. Ebenso knapp fiel seine Handbewegung aus, mit der auf zwei bereitstehende Holzeimer wies.
Agamemnon schloss die Augen. Er konnte nicht sehen, was die Eimer enthielten, aber er wusste es. Cuffey hatte noch nicht ausgelitten. Noch lange nicht...
»Jetzt schon?«, fragte Vandermeere, und die Enttäuschung in seiner Stimme klang nicht aufgesetzt, was den Kerl noch widerlicher machte.
La Foré nickte kurz.
Vandermeere schleuderte den Kater fort, dann ging er zu den Eimern und rührte mit der Kelle darin herum.
»Was...?«, flüsterte Semiramis heiser. Doch die Kraft, mit der sie ihre Finger in Agamemnons Arm grub, bewies ihm, dass sie sehr wohl wusste, was jetzt kam.
»Sie bringen Cuffey um«, sagte sie entsetzt.
Mem konnte nicht einmal nicken. Das Grauen lähmte ihn im wahrsten Sinne. Semiramis hatte recht: Vandermeere war dabei, Cuffey zu töten. Wahrscheinlich würde der Sklave allein schon an den Verletzungen zugrunde gehen, die ihm der Aufseher mit Peitsche und Katze zugefügt hatte. Das Salzwasser, das er seinem Opfer gleich noch in die knochentiefen Wunden kippen wollte, würde Cuffeys Tod nur noch schmerzhafter machen...
»Los, mach schon, Vandermeere!«, Der Älteste der La Foré-Brüder trieb den Aufseher an. Pierre war sein Name, wie Agamemnon wusste. Die La Forés pflegten die französischen Wurzeln ihrer Familie.
»Gib dem Nigger, was er braucht!«, fiel Louis, der jüngste Spross von Jacques La Foré ein.
»Ja, er muss doch durstig sein«, rief Gerald und lachte, wohl weil er seinen Spruch für den originellsten hielt.
Vandermeere, ein grobschlächtiger, fettleibiger Zwei-Meter-Kerl, nahm die Schöpfkelle aus dem Eimer und trat an Cuffey heran. Seine rechten Stiefel setzte er hart auf den blutglänzenden Rücken des Liegenden, dem die neuerliche Misshandlung nur noch ein kaum hörbares Stöhnen entriss. Seine Widerstandskräfte mussten restlos aufgebraucht sein; nicht einmal für einen Schrei konnte er noch genug Kraft sammeln.
Das änderte sich allerdings, als Vandermeere die Kelle über ihn hielt und die ersten Tropfen der salzigen Lauge sich in das rohe Fleisch seiner Wunden
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