BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
gar aufwühlte. Stumm und drohend, wie es seine Art war, stand er in der Nähe der Tür des Salons, und etwas Frostiges umhüllte ihn wie eine Aura, deren Ausläufer Agamemnon erreichten und ihn schaudern ließen.
Die anderen taten im Grunde das Gleiche mit Semiramis wie Agamemnon selbst noch vor kaum einer halben Stunde. Und doch war es auf fürchterliche Weise
anders
– widerlich, ekelerregend, abstoßend, pervers...
Vor einer halben Stunde... Mem schluchzte lautlos. Es schien ihm hier und jetzt Ewigkeiten her, dass Semiramis und er sich geliebt hatten. Als wäre es in einem anderen Leben gewesen...
Wieder senkten sich seine Lider, ohne sein bewusstes Zutun; als wollte eine wohlmeinende Macht ihm den Anblick dessen, was nun Pierre La Foré dem hübschen Sklavenmädchen antat, ersparen. Und wieder klatschte eine geballte Hand hart in sein von Schweiß und Tränen feuchtes Gesicht, ließ sein rechtes Jochbein schier explodieren.
Mühsam unterdrückte Agamemnon ein Stöhnen.
Semiramis ertrug ihre Qual scheinbar stoisch. Kein Laut kam über ihre mittlerweile aufgeplatzten blutigen Lippen. Der Blick ihrer vorhin noch so herrlich strahlenden Augen war leer; zwei dunklen Löchern gleich schienen Pupillen und Iris in das Weiß ihrer Augäpfel zu führen. Und Agamemnon fürchtete, sie würden sich nie mehr mit den Funken des Lebens füllen.
Sein Gesicht glühte vor Schmerzen. Er hieß ihn willkommen, denn er lenkte ihn wenigstens ein kleines bisschen von den Gräueln ab. Wenn auch lange nicht in genügendem Maße.
Irgendwann wurde der Sklave zumindest von der Grausamkeit des Sehens erlöst. Seine Lider schwollen unter den Schlägen allmählich zu der Größe kleiner Zwetschgen und machten ihn schlicht blind. Aber die Geräusche, die er nach wie vor zu hören gezwungen war, reichten aus, um die zugehörigen Bilder hinter seine schmerzenden Lider zu projizieren.
Und dann, endlich, war es vorbei.
»Es ist genug.«
Jacques La Foré hatte gesprochen, leise, aber bestimmt. Agamemnon glaubte die knappe Handbewegung des Plantagenbesitzers zu spüren, als der eisige Hauch, von dem er sich unentwegt berührt fühlte, für eine halbe Sekunde stärker wurde.
»Schafft das Gesindel hinaus«, befahl La Foré, dann entfernten sich seine harten Schritte.
Agamemnon konnte hören, wie sie Semiramis packten und zur Tür schleiften. Wenig später ergriffen auch ihn feuchte Hände und zerrten ihn mit sich. Er tat ein paar Schritte und wusste, dass sie gleich die Treppe erreicht haben mussten, über die sie in den ersten Stock des Herrenhauses gekommen waren...
... der Boden verschwand wie weggezogen unter den Füßen des Schwarzen, der Griff der Hände löste sich. Agamemnon stürzte. Hart prallte er gegen die Stufenkanten, überschlug sich, fiel weiter. Er hörte ein leises Knacken, noch bevor er den Schmerz spürte, mit dem mindestens eine seiner Rippen brach.
Die Treppe schien kein Ende zu nehmen. Schmerzen wurden zu Agamemnons einziger Wahrnehmung, während er über die scharfkantigen Stufen rollte. Und bevor er endlich unten anlangte, schlug er noch mit der Stirn gegen das marmorne Geländer. Feuchte Wärme floss ihm übers Gesicht.
Reglos und sich sekundenlang selbst für tot haltend (
hoffend! wünschend!
) blieb er schließlich am Fuß der Treppe liegen. Nicht lange genug, um dem tobenden Schmerz auch nur ansatzweise Herr werden zu können. Wieder fühlte er sich gepackt und weitergestossen, blind und stöhnend.
Kühler Nachtwind fächelte ihm entgegen, als sie durch das Portal gingen. Ein winziger Teil der Hitze schwand aus seinem Gesicht, und der Sklave glaubte fast zu spüren, dass die Schwellungen ein ganz kleines bisschen zurückgingen. Seine verklebten Lider lösten sich einen kaum millimeterbreiten Spalt voneinander, durch den er zumindest einen klitzekleinen Teil der Welt sehen konnte, wenn auch noch immer wie durch blutrote Gaze.
Flackerndes Licht lag über dem Vorplatz; die Fackeln brannten noch. In ihrer Mitte machte Agamemnon etwas wie ein dunkles Bündel aus, reglos, stumm. Cuffey. Niemand hatte es gewagt, seine Fesseln zu lösen und ihn wegzubringen. War das überhaupt noch nötig? fragte sich Agamemnon mit einer Nüchternheit, die ihn selbst fast entsetzte.
Die La Foré-Brüder und Vandermeere verhielten im Schritt, und sie hörten auch auf, die beiden Sklaven zu verfluchen und zu verhöhnen. Als hätten sie etwas gesehen oder bemerkt, das sie alles andere vergessen ließ und das in Agamemnons eng
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