BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Steinhartes traf seinen Hinterkopf, ließ etwas unter seiner Schädeldecke in Schmerz und tausend Farben explodieren.
Der Schmerz wuchs in rasendem Tempo der Grenze des Erträglichen entgegen. Die Farben verblassten binnen einer einzigen Sekunde, wurden zu Schwärze, in die sich Agamemnon nur zu gern stürzte.
Denn die Schmerzen blieben jenseits der verschlingenden Finsternis zurück...
Rot wie Blut war das Licht des neuen Tages. Und wie Blut floss es auch vom östlichen Horizont heran, schwappte zäh über die Plantage und kroch träge an den Wänden des Herrenhauses hoch, alles mit einem kupferfarbenen Glanz überziehend.
Doch es war nicht die aufgehende Sonne, die Agamemnon aus der Bewusstlosigkeit weckte. Nicht
nur
jedenfalls. Der Schmerz, der in seinem Hinterkopf pochte und glühende Wellen durch seinen ganzen Körper sandte, trug ebenfalls zu seinem Erwachen bei.
Aber da war noch etwas...
Der Sklave konnte es nicht zuordnen, nicht ohne die Quelle der Laute zu sehen. Er versuchte die Augen zu öffnen und schaffte es nicht. Blut und Tränen hatten den Staub, der ihm während der Nacht ins Gesicht geweht war, zu Klebstoff werden lassen, der seine Lider regelrecht miteinander verschweißte.
Die Hand in Augenhöhe zu bringen, ging fast über seine Kräfte. Zentimeterweise ließ er seine Finger wie eine fünfbeinige Spinne durch den Staub auf sein Gesicht zukriechen, dann zupfte er leise stöhnend die krustige Substanz von seinen Lidern, bis er sie endlich aufschlagen konnte. Und auch diese im Grunde lächerliche Bewegung schien ihm unsagbar mühsam.
Er lag noch an derselben Stelle, an der er zu Boden gegangen war, nachdem etwas ihn am Kopf getroffen hatte...
Agamemnon fuhr hoch. Oder er wollte es zumindest. Der Schmerz, der bei der geringsten Bewegung in jeder Faser seines Körpers explodierte, ließ ihn den Gedankenbefehl eiligst widerrufen.
Erst jetzt war ihm eingefallen, weshalb er hier lag. Was zuvor geschehen war. Nur – was war danach noch passiert, nachdem er selbst von der Bühne des Geschehens abgetreten war? Was war mit –
»Semiramis?«
Agamemnon wollte nach ihr rufen, doch aus seiner trockenen Kehle kam nicht mehr als ein Krächzen, so schwach, dass es kaum seine eigenen Ohren erreichte.
Soldaten hatten die Plantage – angegriffen? So musste es wohl gewesen sein. Der Sklave erinnerte sich an die Schreie der La Foré-Brüder und Vandermeeres.
Aber was hatten die Angreifer mit ihrer Attacke bezweckt? Und warum hatten sie, wie Semiramis gesagt hatte, sowohl Uniformen der Union als auch der Rebellen (so nannte man die Südstaatler im Norden, und hinter vorgehaltener Hand hatten die Schwarzen diese Bezeichnung übernommen) getragen?
Agamemnon hatte bislang vom Krieg wenig mitbekommen, wie die meisten Sklaven. Im Süden wurden Schwarze nicht zum Armeedienst herangezogen, im Gegensatz zum Norden. Dort kämpften sie Seite an Seite mit den Weißen, was allerdings noch nicht bedeutete, dass sie sich als »Brüder« fühlten...
Aber Agamemnon wusste zumindest, dass es in diesem Krieg nicht nur die Parteien Union und Konföderierte gab. Dazwischen gab es verschiedene Gruppierungen, die weder für die Sache des Südens noch für die des Nordens kämpften, sondern allein auf eigene Rechnung. Deserteure und lichtscheues Gesindel fanden sich da zusammen, um unter dem Deckmantel des Krieges plündernd, brandschatzend und mordend durchs Land zu ziehen – nahezu unbehelligt. Denn die Armeen hatten anderes zu tun, als sich um diese Banden zu kümmern, die ihnen ja mitunter sogar – je nachdem, wo sie gerade zuschlugen – die Arbeit abnahmen...
Möglicherweise war es ja eine solche Räuberbande gewesen, die Resolute überfallen hatte. Ja, Agamemnon war fast sicher, dass es sich so verhalten musste. Siedend heiß war das Gefühl des Schreckens, das ihn durchlief.
»Semiramis!«, rief er wieder, noch immer zu leise, als dass jemand, der weiter als zwei Schritte entfernt stand, ihn hören konnte. Wieder versuchte der Schwarze sich hochzustemmen, und diesmal ignorierte er den Schmerz, der damit einherging, mit zusammengebissenen Zähnen.
Auf Händen und Knien verharrte er. Wie in der Bewegung des Moments eingefroren, starr vor Grauen.
Er erinnerte sich auf einer tieferen Ebene seines Bewusstseins, dass außer dem Licht der Morgensonne und dem Schmerz noch etwas anderes ihn geweckt hatte.
Geräusche, die er nicht hatte identifizieren können.
Jetzt sah er, woher sie kamen, wer sie
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