BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
die Kadaver dem reinigenden Feuer zu übergeben.
»Zu reinigen? Wovon?«, fragte Wyando später in Makootemanes Zelt. Die Antwort des Stammesführers übertraf Wyandos schlimmste Befürchtungen.
»Es ist offensichtlich«, sagte Makootemane. »Ich habe mich geirrt und damit schwere Schuld auf mich geladen!«
»Wovon redest du?«
Nur die weiße Glut einer Feuerstelle trennte Vater und Sohn, die auf bizarre Weise fast gleichaltrig waren. Wenig Tageslicht sickerte ins Innere des Zeltes. Aber Wyando sah die vergreisten Züge des Stammesoberhaupts klarer als zuvor, und er hatte das Gefühl, dass es Makootemane umgekehrt ebenso erging.
»Warum bist du nicht früher gekommen?«, fragte Makootemane seufzend. »Vielleicht hätten wir es gemeinsam verhindern können. Vielleicht hättest du die Anzeichen eher bemerkt als ich. Ich bin nicht objektiv. Nach dem, was auf dem Berg geschah, kann ich das nicht sein... Aber ich hatte gehofft. Ich hatte so sehr gehofft, den Feind besiegt zu haben...«
Ein krächzender Laut unterbrach ihn.
Erst jetzt bemerkte Wyando das lebende Totem im Hintergrund des Zeltes. Es hockte nicht auf dem Holzpflock, sondern am Boden zwischen Lumpen. So still und regungslos, wie der uralte Adler sich verhalten hatte, war er Wyando zunächst nicht aufgefallen, aber nun überkam ihn das dringende Gefühl, von ihm
belauert
zu werden.
Außerdem war ihm nicht ganz klar, wie es der Adler geschafft hatte, ins Zelt zu gelangen, nachdem er ihn noch kurz zuvor hoch über den Bäumen hatte kreisen sehen...
Ohne den Blick von dem Totem zu lösen, sagte Wyando an Makootemane gerichtet: »Den Vorwurf, der aus deinen Worten spricht, verstehe ich nicht. Ich war es, der bis zuletzt hier aushielt, als alle anderen schon fortgegangen waren – aus Furcht vor der Gefahr, die du uns geweissagt hattest. Bevor ich in die ferne Stadt ging, teilte ich dir mit, was mich dazu trieb, die Wolfsfrau zu begleiten. Sie behauptete, die Verursacherin der tödlichen Gefahr zu kennen, die uns Unsterblichen droht. Ich folgte ihr, weil ich hoffte, meinen Teil dazu beizutragen, die Gefahr zu bannen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass mein Vater das Unheil selbst bannen würde...«
Makootemane sah mit gesenktem Haupt in die Reste des Feuers. »Ich fürchte, genau das ist der Irrtum, dem ich erlegen bin«, sagte er. »Und der meinen vermeintlichen Sieg nicht nur wertlos macht, sondern...«
»Sondern? Wovor hast du Angst? Und was hat dich auf diese Weise... zugerichtet? Was ist in der Höhle im Berg geschehen? – Und warum ist er...«, Wyandos Geste galt dem Stammestotem, »... so verändert? Ich spüre seinen Segen nicht mehr. Das, was uns Halt gab in finsterer Zeit...«
»Worauf willst du hinaus?«, Makootemane blickte auf. Er schien tatsächlich nichts von der Fremdheit spüren zu können, die verhinderte, dass Wyando den früher ganz selbstverständlichen Zugang zu ihrem Totem fand; zu der reinen Tierseele, die ihnen im Laufe so vieler Jahre die Abkehr von den Zwängen ermöglicht hatte, die einen Vampir tagein, tagaus beherrschten und über das Stillen seines Durstes hinaus wüten ließen...
... zumindest hatte er bis zu dem Vorfall im Motel geglaubt, die lange, dunkle, eisige Nacht ihrer Existenz überwunden zu haben und
trotz
der Kelchtaufe weiter in Einklang und Harmonie mit der Natur leben zu können...
Wyando hatte Margeaus Leichnam auf dem Zimmer zurückgelassen und darauf verzichtet, den Beweis seines Versagens zu beseitigen. Es würde nicht lange dauern, bis Joseph »Dark Cloud« Reno, der Sheriff von New Jericho, bei Makootemane vorstellig werden und ihn über die Geschehnisse informieren würde.
Wyando wollte dem unbedingt zuvorzukommen.
»Ich muss dir etwas gestehen«, sagte er.
»Du machst mir Sorgen«, erwiderte Makootemane und schloss die Augen, als meinte er das, was nun kommen würde, nur blind ertragen zu können.
»Ich fürchte, du hast recht...« Wyando schilderte, was sich in New Jericho, nur einen Adlerflug von hier, zugetragen hatte.
Makootemane hörte mit steinernem Gesicht zu und versagte sich jeden Zwischenkommentar. Erst als Wyando alles, was es aus seiner Sicht dazu zu sagen gab, berichtet hatte, löste Makootemane die Fessel um seine Zunge:
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Würde ich dich nicht besser kennen, müsste ich annehmen, du wolltest
mich
einer Mitschuld an dem unnötigen Mord bezichtigen... Aber mein Ruf nach dir kann nicht der Auslöser dafür gewesen sein,
Weitere Kostenlose Bücher