BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
denn ich rief dich nicht nur einmal und gewiss auch nicht erst
jetzt
. Schon vor Wochen haben alle anderen, die unser Dorf verlassen sich in alle Winde verstreut hatten, auf den Ruf reagiert. Einige verschlug es sehr viel weiter als dich, und doch erreichte ich sie, wo immer sie sich befanden. Und wo immer sie waren,
folgten
sie dem Ruf ohne Zögern. Nur du... du kamst nicht. Obwohl ich keinen Tag verstreichen ließ, dich wieder und wieder aufs neue zu ermahnen...«
»Ich empfing keinen einzigen Ruf – bis heute«, versicherte Wyando. »Ich würde dich nicht belügen, das weißt du!«
»Ja.« Makootemane wiegte bedächtig das Haupt, das in den letzten Wochen um Jahrzehnte gealtert war. Es ähnelte einem mit brauner Haut umspannten Totenschädel; einem knöchernen Verlies, aus dem es für den darin eingesperrten Geist kein Entkommen geben würde.
Makootemanes Kampf gegen die Vampirseuche, die ihn zum Mörder an den mit seinem Blut getauften Kindern hatte machen wollen, war für ihn selbst längst zum Desaster geworden.
Vor
diesen Ereignissen war er ein stolzer Krieger mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Dreißigjährigen gewesen. Nun ähnelte er einer ausgegrabenen Indianermumie, deren Zerfall von geschickten Schamanenhänden hinausgezögert, aber nicht verhindert worden war...
Der Gedanke versetzte Wyando Stiche ins Herz. Makootemane hatte ein solches Schicksal nicht verdient. Was immer er dort oben in der Unzugänglichkeit des Heiligen Bergs geleistet hatte – er hatte es für andere getan. Denn er selbst – daran hatte Rona keine Zweifel gelassen – wäre wie jedes Oberhaupt eines Stammes oder einer Sippe gegen den purpurnen Tod immun gewesen. Er hätte jedes seiner Kinder überlebt. Hätte zusehen können, wie sie, in Fässern voller Blut schwimmend, verdurstet wären...
Rona, die Werwölfin, hatte behauptet, den Schuldigen an diesem Fluch zu kennen. Aber in Bangor hatte Wyando erkennen müssen, dass sie seine Hilfe nur ausnutzen wollte, um Rache an einer seltsamen, einzigartigen Frau zu nehmen.
Heaven...
Dieser Name brachte eine Saite in Wyando zum Klingen, von deren Existenz er bis vor kurzem nicht einmal geahnt hatte. Er konnte sie sich nicht als Todfeindin vorstellen, obwohl Rona nichts unversucht gelassen hatte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
»Sie tötet Vampire!«, hatte die Werwölfin hasssprühend erklärt. »Nur sie kann den Lilienkelch mit dem Todeskeim geimpft und das Verderben in die Welt gesetzt haben...!«
Rona, das hatte Wyando aus ihrem eigenen Mund erfahren, machte die Halbvampirin Heaven dafür verantwortlich, dass sie nie wieder ihrem Geliebten Sardon gegenübertreten durfte. Denn auch sie hatte vor einem halben Jahrtausend das Geschenk der Unsterblichkeit aus der Hand des Hüters erhalten, der mit seinem magischen Blut eine Abart des Kelchrituals praktiziert hatte, ohne sie zur Vampirin zu machen. Und nun fürchtete sie, der tödliche Funke würde auch auf sie überspringen, wenn sie ihm je wieder zu nahe käme...
... doch gleichzeitig verzehrte sie sich nach genau dieser Nähe!
Makootemanes Stimme riss ihn aus seinen Gedanken: »Nach dem Tod der Adler halte es für möglich, dass etwas deine Rückkehr verhindern wollte.«
»Etwas?«
Makootemane ging nicht auf die Zwischenfrage ein. »Vielleicht half ihm erst das Echo, das mein heutiger Ruf in dir verursachte, dich ausfindig zu machen – und verriet ihm, wie nahe du bereits warst. Ich konnte dich nicht fühlen. Als würde ich vom Gipfel eines hohen Berges in die unendliche Prärie hinab schreien, ohne eine Antwort zu erhalten.«
»Wen meinst du damit? Die Kraft, die du besiegt zu haben glaubtest?«
»Kraft?«, Makootemane schüttelte müde den Kopf. Seine eingefallenen Wangen blähten sich unter erregten Atemstößen. »Im Rückblick erscheint mir das, wogegen wir kämpften«, seine Augen suchten erneut das Totemtier zwischen den Lumpen, »gar nicht mehr so
stark
. Seine vermeintliche Überlegenheit, die es lange Zeit gegen uns ausspielte, beruhte in der Hauptsache auf die
Leere
, die es in sich trägt. Es ist frei von Motiven. Es macht sich keine Gedanken über sein Tun. Es tötet, ohne den Grund dafür zu kennen. Es wurde
geschickt
– aber es weiß nicht, von wem – und will es auch gar nicht wissen. Es handelt wie ein Pfeil, der die Sehne eines Bogens verlassen hat – oder wie eine Million Pfeile, wenn man dem Ausmaß der Bedrohung gerechter werden will...«
»Die drei Adler, die draußen auf dem Dorfplatz
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