BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
fühlte er es offenbar. Oder wurde durch die jähe Stille aus seiner Trance gerissen.
Als er die Augen öffnete, hatte sich der Rauch, der aus den brennenden Vögeln stieg, bereits zu einem Schemen über dem Feuer geformt, der sich unübersehbar vom Qualm des Holzfeuers abhob.
Schon seine Farbe war anders. Nicht grau, nicht schwarzflockig wie Ruß, sondern
purpur
– und auch wenn die zum Himmel hinauftreibenden Gestalt weniger greifbar erschien wie eine der vorüberziehenden Wolken, so begriffen doch auch jene, die den
Drachen
noch nie zuvor selbst zu Gesicht bekommen hatten, worum es sich handelte.
Die Arapaho – ausgenommen Makootemane und Wyando – warfen sich zu Boden und pressten ihre Gesichter in den rötlichen Staub der Heimaterde.
Sie ertrugen das Menetekel am Himmel nicht.
Wyando wusste nicht, was
ihn
aushalten ließ.
Er starrte nur auf den geflügelten Drachen, der einer purpurnen Wolke gleich über dem Lager schwebte und sich jeden Moment herabstürzen konnte. Herab auf jenen Mann, der so inbrünstig gehofft – wenn auch längst nicht mehr
geglaubt
– hatte, ihn in der Höhle im Heiligen Berg besiegt zu haben...
Wir werden ausgerottet
, dachte Wyando.
Wenn es in unseren Vater fährt, sterben wir alle. Der Durst wird uns wahnsinnig machen. Wir werden New Jericho in einen Friedhof verwandeln. Wir werden von Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang trinken... aber keines Menschen Blut wird uns je wieder sättigen. Und nichts wird uns mehr am Morden hindern. Unsere Körper werden sich binnen Tagen die Jahrhunderte zurückerobern, um die wir sie betrogen haben!
Hoffentlich... finden wir vorher die Kraft, uns gegenseitig zu erlösen...
Pacahee hörte den Klagegesang ihres Volkes. Sie spürte die Anteilnahme der anderen – aber sie selbst war außerstande, ihrer Trauer in einer Weise Ausdruck zu verleihen, dass sie ihr inneres Gleichgewicht wiederfinden ließ.
Sie hatte ihren Totemvogel verloren, jenes dem Ur-Adler verwandten Geschöpf, mit dem sie bereits vor Jahren eine Verbindung eingegangen war, die ähnlich eng, ähnlich intim gewesen war wie die zu ihren unsterblichen Brüdern und Schwestern.
Vorbei!
Drei dieser gefiederten Symbole des Guten hatten wie nach einer
Hinrichtung
im Staub des Dorfplatzes gelegen. Und niemand hatte den Aufschrei ihrer Qual gehört. Am hellen Tag – der Zeit also, zu der die Arapaho-Vampire traditionell schliefen – waren sie von einem blutdurstigen Mörder zerfetzt worden.
Kein Arapaho trank das Blut eines Tieres. Und schon gar nicht das eine
heiligen
Vogels!
Pacahee schauderte.
Mein Adler
, dachte sie aufgewühlt. Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn sie herausfand, wer hinter dieser Schandtat steckte...
Plötzlich änderte sich die Lautkulisse, die von draußen in ihr Zelt drang. Furcht erstickte die Stimmen, knebelte die Kehlen derer, die sich Makootemanes Befehl gebeugt und den Scheiterhaufen für die toten Vögel errichtet hatten. Pacahee hatte es nicht mit ansehen wollen.
Pacahee stand auf.
Selbst eine simple Bewegung wie diese fiel ihr schwer. Mit bleischweren Gliedern ging sie zum Ausgang, um nachzusehen, was die Feierlichkeit der rituellen Verbrennung gestört hatte.
In dem Moment, da sie die Plane aus gegerbter Büffelhaut zurückschlug, verstellte ihr jemand den Weg nach draußen – und damit nicht genug, traf Pacahee auch noch ein überraschend grober Stoß, der sie zurück in die Mitte des Zeltes taumeln ließ.
Ein fauchender Ton entwich ihren Lippen.
Dann erkannte sie die Besucherin, und ihr aufflackernder Zorn verrauchte.
»Metseeh!«, wandte sie sich an ihre Schicksalsgenossin. »Weißt du, was da draußen vorgeht?«
»Ich weiß es.« Metseeh war hereingeglitten und sorgte nun akribisch dafür, dass die Plane den Ausgang wieder vollständig verschloss. »Sie rösten die Kadaver...«
Erschüttert suchte Pacahee nach Halt, den sie schließlich über sich an einer Lederschlaufe fand, die um einen der Zeltstützen gebunden war und an der sie sommers duftende Gräser zum Trocknen aufhängte.
»Wie kannst du...?«
Metseeh ließ sie nicht aussprechen. »Was erwartest du von mir? Dass ich mich meinem Schmerz ergebe? O nein, das werde ich nicht tun. Damit helfe ich nur dem, der uns das antat!«
Pacahee starrte sie an. »Hast du etwa einen Verdacht?«
Metseeh nickte düster. Dann winkte sie ihre Schwester zu sich und öffnete ihre rechte, zur Faust geschlossene Hand.
»Was ist das?«
»Wofür würdest du es halten?«
»Für
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