BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
erschöpft.
Nie mehr sollte dunkles Leben aus dem Kelch getrunken werden. ER hatte in allmächtiger Weitsicht Vorsorge getroffen für den Fall, dass jemand versuchen sollte, das Unheiligtum zu »reinigen«, um es wieder seinem alten Zwecke zuzuführen.
Und diese Vorkehrung hatte Sahya Patnaik aktiviert...
Der Schrei eines Kindes gellte lautlos in seinen Ohren, umtoste ihn einem Sturmwind gleich und zerstob dann in alle Richtungen.
Doch damit war
es
noch nicht vorbei.
Jener Schrei war kaum mehr gewesen als eine Begleiterscheinung des eigentlichen Geschehens.
Ein Orkan wütete in dem unterirdischen Gewölbe. Scheinbar nie versiegend wurde seine Kraft aus dem Kelch gespeist. Der Leib des Vampirs, noch immer zweistimmig brüllend, wurde umher gewirbelt, als besäße er kein Gewicht mehr. Und so schien es auch. Denn seine Konturen verwischten, er wurde durchscheinend und immer mehr zu dem, was der Körper selbst nie gehabt hatte...
... zu einem – Schatten.
Doch nicht nur die Gestalt des Vampirs wurde ausgelöscht.
Unter dem Sturm löste sich alles auf. Wie wegradiert verschwand alles in dem Raum. Einrichtung und Gegenstände verblassten und vergingen schließlich. Aber auch dann ließ die Kraft des Kelchsturms noch nicht nach. Die steinernen Wände verloren ihre Maserung, als würden sie glattgeschliffen, wurden zu grauen Flächen, die schließlich in Nichts übergingen.
Ein kleiner Teil der Wirklichkeit wurde ausgelöscht.
Aber es war nicht Leere, die an ihre Stelle trat.
Der Raum schien noch immer endlich, als der Sturm schließlich verebbte. Purpurflirrendes Licht füllte ihn, und unterschiedliche Schattierungen verliehen ihm Tiefe und Konturen.
In der Mitte dieser Zone verdichteten sich dunkle Abarten des Purpurs zu einem einzigen Schatten. Zu einem Schatten von menschlicher Gestalt. Mit untergeschlagenen Beinen saß er da, starr, körperlos und doch so stabil, dass er etwas in Händen halten konnte.
Schattenfinger umschlossen den Lilienkelch.
Das Haus an der Grand Trunk Road war vollends zum Geisterhaus geworden.
Gespenstische Stimmen wisperten in der Dunkelheit, gegen die Kerzen und Fackeln fast vergebens ankämpften. Ihre Echos brachen und fingen sich an den Wänden und in den Winkeln der Korridore, eilten weiter, suchend nach etwas, an dem sie nicht abprallen würden, sondern in dem sie aufgehen konnten.
Hätte jemand die Stimmen gehört, so hätte er vielleicht – wenn sein Geist nicht zerbrochen wäre an dem, was er hier hörte und sah – festgestellt, dass es ein- und dieselbe Stimme war, die da flüsternd und singend durch die Finsternis wehte.
Die Stimme eines Kindes, in gleicher Weise zerrissen, wie es seine Seele war...
Nehru suchte.
Und er tat es auf einem Dutzend Wegen.
Bis er fündig wurde.
Taumelnde Schattengestalten, tot und seelenlos und ihres Herrn beraubt, hielten inne, als etwas sie traf – und durchdrang und erfüllte mit dem, was ihnen Sahya Patnaik nicht hatte zurückgeben können, obwohl er sie »erweckt« hatte.
Dann kam wieder Bewegung in die Gestalten, deren grobgenähte Narben und verklebten Wunden die Finsternis gnädig verhüllte. Doch nun irrten sie nicht länger ziellos umher.
Und auch die Stimme hob wieder an. Nicht länger körperlos jedoch, sondern aus noch fremden Mündern und doch gespenstischer als zuvor.
»Endlich...«
»... wieder...«
»... daheim...«
»... lasst...«
»... mich...«
»... hinabgehen...«
»... und...«
»... eins...«
»... werden.«
Nehru stieg in die Tiefe des Kellers hinunter.
Zwölfgestaltig.
Sardon erhob sich und leckte sich das Blut von den Lippen, während Tanor neben ihm noch schlürfend und saugend am Hals eines der beiden Mädchen hing, die sie nach Sonnenuntergang vor der Moschee abgefangen und in ihre geistige Gewalt gebracht hatten.
Zwar fühlte der Hüter sich gekräftigt von dem Blutmahl, doch das Elixier hatte die Unruhe in ihm nicht ertränken können. Im Gegenteil schien sie ihm noch gesteigert, nun, da die Ablenkung ihren Reiz verloren hatte.
Das Geräusch, mit dem Sardon das Genick seines Opfers brach, schreckte Tanor auf. Er hob sein blutbeschmiertes Gesicht und verzog die Lippen zu einem wie aufgemalt wirkenden Lächeln.
»Du bist schon fertig?«, fragte er grienend. »Ich hatte dich als Genießer in Erinnerung...«
»Spar dir deine Worte«, erwiderte Sardon und winkte ab. »Du weißt, dass mir der Sinn heute nicht Plänkeleien steht.«
Auch Tanor beendete sein Mahl, drehte
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