BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Sie hatte sich aus den Armen des Arapaho gelöst und ihn aufgefordert, endlich über
sich
zu sprechen. Über das, was ihn bedrückte. Woher kam das Blut, mit dem er am ganzen Körper besudelt war?
Wortlos war Hidden Moon aufgestanden und hatte das Zimmer verlassen. Die Tür zum Gang stand offen, und Heaven konnte hören, wie sich seine Schritte ein Stück weit entfernten, dann innehielten und zurückkehrten. Als er wiederkam, hatte er einen prallen Jutesack dabei, den er mit zwei Händen festhielt.
»Was ist das?«, fragte sie.
Hidden Moon schloss die Tür und deponierte den Sack neben ihr auf dem Bett. An der Unterseite bemerkte Heaven dunkle Nässe und wusste sofort, was es war. Blut, wem auch immer gehörig, konnte sie
wittern
.
»Was ist das?«, wiederholte sie ihre Frage.
Hidden Moon öffnete den Sack. Heaven wusste nicht, was sie davon halten sollte, als er den Kadaver des toten Adlers herausschälte. Hatte Hidden Moon sich von ihr getrennt, um seinen Gefährten über viele Jahre zu bergen? Und wenn ja, was hatte er damit
vor
?
Er erriet ihre Gedanken und sagte: »Für dich mag ein Adler wie der andere aussehen, aber das ist nicht mein Seelenvogel, den du in der Höhle getötet hast. Dieser hier sollte sein Nachfolger werden...«
Heaven stand auf und trat hinter Hidden Moon. Diesmal nahm sie ihn in die Arme.
»Erkläre es mir«, sagte sie. Ihre Lippen berührten seinen Nacken und glitten höher. Sie spürte instinktiv, wie allein und verlassen er sich in diesem Moment fühlte.
Doch dann stutzte sie. Irritiert. Ihre Nasenspitze berührte etwas – Seltsames...
... unter seinem glatt herabfallenden, rabenschwarzen Haar.
Hidden Moon drehte sich ruckartig zu ihr um. »Wir haben einander einiges zu erklären. Zu viele Fragen stehen zwischen uns, und wenn wir nicht aufpassen, ist es zu Ende, bevor es überhaupt beginnt!«
Heaven lauschte nicht nur seinen Worten, sondern auch der kaum noch im Zaum zu haltenden Stimme ihres unstillbaren Verlangens, das von Hidden Moons Nähe zur schieren Raserei gebracht wurde. Er hatte recht: Sie mussten sich aussprechen. Und danach musste sie es
tun
– irgendwie. Kein Weg führte an ihm und seinem Blut vorbei...
»Der Grund, weshalb wir uns in meinem niedergebrannten Heimatdorf aus den Augen verloren«, sagte Hidden Moon, »ist simpel: Ich habe mich um einen Ersatz für meinen Seelenvogel bemüht. Ich suchte einen jungen Adler, der den verwaisten Platz an meiner Seite einnehmen sollte... Dir kann nicht klar sein, wie
abhängig
ich von einem Seelenvogel bin – wie solltest du es auch wissen? Die Zeit war zu kurz, um die Absonderlichkeiten, die unsere beider Existenzen umgeben, im Detail zu lüften. Das Einzige, was du in groben Zügen von mir erfahren hast, ist, dass es den Vampiren meines Stammes dank unseres Ur-Adlers vor langer Zeit gelungen ist, den Idealen, die der Lilienkelch uns vorgab, abzuschwören und eine eigene Ideologie zu entwickeln.
Die Arapaho lebten vor ihrer Begegnung mit Sardon in harmonischer Symbiose mit Land, Luft und Wasser ihrer Heimat. Die Kelchtaufe zerstörte diese Harmonie zunächst. Aber der Adler, der von Makootemane heimlich
mit getauft
wurde, erwies sich als resistent gegen das Gift des Kelchs. Über die spirituelle Verbindung mit ihm wurde zunächst Makootemanes Geist – und später der eines jeden Kelchkindes des Stammes gereinigt.
Es war kein Akt, der sich von heute auf morgen durchsetzte. Es dauerte Jahre, ehe es der Unschuld unseres ersten gemeinschaftlichen Seelenvogels gelang, die verderbte Saat zu unterdrücken. Und wiederum Jahre gingen ins Land, bis wir begriffen, dass das Böse in uns nicht erloschen oder für alle Zeit besiegt war, sondern unsere Wege immer begleiten würde. Nur hielt der spirituelle Austausch zwischen dem Adler und uns es im Zaum. Wir lernten damit umzugehen und es in weniger schlimme Taten zu
kanalisieren
.
Natürlich brauchten wir das Blut unserer Menschgebliebenen Stammesangehörigen – oder später das Blut der weißen Siedler –, aber wir hörten auf, deren Leben nur um des Erhalts unserer Existenz willen zu
zerstören
. Wo immer wir den
Keim
übertrugen, blieb das Opfer unter Beobachtung. Und wir
spürten
, wenn es eines Tages an Alter, Krankheit oder einem Unfall starb. Dann besuchten wir es und vollzogen das Unumgängliche, das die Entstehung von Kreaturen verhinderte, wie Sardon sie uns einst als Diener empfohlen hatte.«
Hidden Moon schwieg kurz. Heaven hatte das Gefühl, dass er das,
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