BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
nicht schön, wenn er es nie angenommen hätte? Wenn er sich seine eigene Gestik in all der Zeit bewahrt hätte...?
Sie hätte nicht zu sagen vermocht, was ihr daran so wertvoll erschien.
»Um sie zu töten, hätte ich wenigstens einen Grund haben müssen...« Er stockte, und Heaven glaubte zu erkennen, dass er sich selbst bei einer Unwahrheit ertappt hatte.
»Was ist?«
Er wich aus. »Ich ließ Rona ziehen und riet ihr, sich an meine Warnung zu halten...« Er lächelte – bizarrer als Heaven einen Vampir je hatte lächeln sehen. »Du kannst
riet
auch durch
drohte
ersetzen. – Aber wie auch immer, sie hat es offenbar so verstanden, wie es gemeint war.«
»Bedauerlich, eigentlich...«
Ihr Kommentar verwirrte ihn nur einen kurzen Augenblick. Dann begriff er den Hintersinn.
Natürlich
wäre sie nicht wehrlos gewesen, in jenem Zimmer in Bangor – jedenfalls nicht nachdem Hidden Moon und Rona sie gefesselt auf einem Stuhl sich selbst überlassen hatten. Heaven hatte sich jederzeit in eine Fledermaus verwandeln und der Stricke entledigen können. Keine Waffe hatte sie mehr daran gehindert...
Hidden Moon streichelte mit einem Finger durch das Tal zwischen ihren Brüsten. Der Symbiont umschmiegte Heaven wie eine zweite Haut – auch ihre Rundungen. Dennoch war er durchlässig für Hidden Moons Zärtlichkeit. Sie kam an.
»Du weißt nicht, wovor du mich bewahrt hast«, flüsterte sie, während sie seine Hand ergriff und drückte.
»Ich wunderte mich nur, dass du so wenig wählerisch bist«, erwiderte er, und es fiel ihr schwer zu erkennen, ob dies Ironie oder seine ehrliche Meinung war.
»Du weißt längst nicht alles über mich – so wenig wie ich von dir«, sagte sie. »Ich schätze, auch Rona konnte nicht wissen, dass sich mein
Geschmack
in Sachen fremder Leute Blut... nun, geändert hat.«
»Was meinst du damit?«
Sie forschte in seinen Augen. Augen wie die dunkle Seite des Mondes. Und plötzlich spürte sie, wie sehr sie ihn begehrte...
... aber gleichzeitig war DAS ANDERE noch nicht in ihr erloschen!
Wie auch? Sie war auf einer Ebene unbefriedigt, die jetzt, nach einer kurzen Phase der Entspannung, wieder einen zerstörerischen Taifun in ihr entstehen lassen wollte. Unruhig wand sie sich in seinen Armen.
»Was ist?«
Sie richtete ihren Blick auf einen imaginären Punkt jenseits seiner Augen.
»Du hast keine Ahnung«, seufzte sie, »womit ich gestraft bin...«
Das folgende Schweigen zwischen ihnen schien nicht mehr enden zu wollen, und seltsamerweise war diese Stille es, die Heaven bewusst machte, dass sie nicht die einzige mit einem Problem war.
Abrupt drehte sie den Kopf.
Der Ausdruck in Hidden Moons Zügen bestätigte ihre Ahnung.
Und die teerschwarze Träne, die aus seinem linken Auge quoll...
Zur gleichen Zeit, dreihundert Meilen entfernt
Morgengrauen
Es knackte, als Trevor Oyster den zwischen seinen Zähnen steckenden Kopf eines ölig schwarzen Käfers abbiss. Sofort hörte das Kitzeln der zappelnden Beinchen hinter seinen Lippen auf, und mit geübtem Zungenschlag beförderte Oyster auch den Torso in seinen Mund.
Der Proteingehalt war dürftig, das Käferblut aber erinnerte den Toten an größtes Glück. Momente wohliger Sättigung...
Er stellte die Schachtel mit den Skarabäen zurück auf den Serviertisch neben dem zerschlissenen Sessel. Sein Blick schweifte kurz durch den bieder eingerichteten Raum, der nichts von den extremen Bedürfnissen seines Bewohners verriet, und heftete sich schließlich erwartungsvoll, beinahe beschwörend an das antiquierte Wählscheibentelefon.
Sekunden später schrillte der Apparat, als hätte er sein Sehnen erhört. Oyster wischte sich den Mund ab und stand auf. Er hatte sich daran gewöhnt, dass seine Gedanken dem Gehorsam seines Körpers immer ein wenig vorauseilten. Aber er war froh, dass ihm die Hülle, die Atmung und Herzschlag eingestellt hatte, überhaupt noch folgte.
Froh...
Das Lachen, das an den Resten des Chitinpanzers vorbei aus seinem Mund brach, hallte hohl durch seinen Schädel, aber ein zufälliger Gast hätte daran vermutlich nicht einmal etwas Außergewöhnliches festgestellt.
Mit ausgreifenden Schritten überbrückte Oyster die Entfernung zum Telefon. Er hob den Hörer ans Ohr. »Ja?«
»Möchtest du dir ein feines Trinkgeld verdienen?«, fragte eine sanfte, zärtliche Stimme.
Trevor Oysters Herz ruhte weiter tot in seiner Brust, aber sein Verstand spielte ihm einen Streich, und sekundenlang glaubte er wirklich, es wie
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