BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
eintreten würde. Schon wenige Stunden nach ihrer erneuten Trennung hatte sie gespürt, dass nichts wie sonst war. Dass sie sich, was die Wirkung des Trunks anging, etwas vorgemacht hatte!
Es ging ihr nicht wirklich besser, und dafür gab es nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder enthielt Hidden Moons Blut, nachdem er in gewisser Weise einen Sonderstatus unter Vampiren errungen hatte, nicht mehr jene Komponente, auf die Heaven angewiesen war. Oder
Gott
duldete keine Ausnahme, bestand darauf, dass keiner der Nachkommen jener
Geheimen Kinder
, auf die die Alte Rasse zurückging, verschont wurde. Dann gehörte es vielleicht einfach
dazu
, dass sie den Keim in ihr Opfer übertrug, es knechtete und vernichtete...
Heaven hatte Zeit gehabt, sich über die Folgen klarzuwerden. Die Konsequenzen, die sie selbst bereit war daraus zu ziehen. Und sie war zu der Überzeugung gelangt, dass Hidden Moons Tod ein zu hoher Preis nur dafür war, wieder Ruhe
und vorübergehende Sättigung
zu finden.
Eines Tages, wenn sie bis auf die unsterblichen Arapaho alle anderen Vampire gefunden und getötet haben würde (auch Hidden Moons Volk!), musste sie ihre diesbezüglichen Skrupel neu überdenken – weil sie sonst den Lohn aufs Spiel setzte, den Gott ihr versprochen hatte.
Ihr Menschsein.
Aber bis dahin würde noch viel Zeit vergehen. Jahre...
Sie blieb stehen und kreuzte den entsetzten Blick einer alten Frau, die mit ihrer Enkelin auf einer Parkbank am Straßenrand saß. Als Heaven hörte, dass das Mädchen lautstark einen Taschenspiegel von seiner Großmutter zurückforderte, weil sie ihr Haar ordnen wollte, wusste sie Bescheid.
Heaven lächelte der Indianerin mit dem streng gescheitelten und hinten gebundenen Haar beruhigend zu – aber sie bewirkte das Gegenteil. Die Frau sprang regelrecht von der Bank auf und riss ihre Enkelin am Arm mit sich. Dabei fiel der Spiegel aufs Pflaster und zerbrach.
Das Mädchen weinte, aber seine Granny ließ sich nicht beirren. So schnell sie konnte, zog sie das Kind hinter sich her – weg von der Bank und weg von Heaven. Ein paarmal schaute sie gehetzt über die Schulter, als fürchtete sie nichts anderes, als dass Heaven ihnen folgen könnte...
Als die beiden in ein Kaufhaus verschwanden, ertappte sich Heaven dabei, dass sie die kurze Ablenkung regelrecht genossen hatte. Sie sah auch keine Veranlassung, der alten Frau mit Hypnose die Erinnerung an das zu nehmen, was sie offenbar durch Zufall im Spiegel gesehen – oder
vermisst
– hatte...
Heaven setzte sich wieder in Bewegung. Sie wusste, dass jede weitere Stunde in New Jericho nicht nur sie selbst, sondern auch andere in akute Gefahr brachte. Schon einmal war ihr Blick für die Farbe des Blutes, dem sie nachjagte, getrübt gewesen, und hätte nicht Hidden Moon...
Genug!
Sie würde dieser Stadt den Rücken kehren. Noch heute. Und dann musste sie einen Ort finden, an dem Vampire überlebt hatten – wenigstens einer.
Sie hätte es nie für möglich gehalten, sich einmal so sehr nach ihren erbittertsten Feinden zu verzehren...
Die Sonne stand im Zenit, als die Echos ultrahoher Schreie von den verbrannten Gerippen hölzerner Tragkonstruktionen zurückgeworfen wurden – von den Überbleibseln einer Siedlung, deren Bewohner vor langer Zeit einen unheilvollen Pakt geschlossen hatten.
Mit einem Unheilbringer namens Sardon.
Sie hatten keine Wahl gehabt, damals. Und jetzt waren sie fort – weil sie begriffen hatten, dass die alten Zeiten für immer vorbei waren. Wie hier würden sie nirgends auf der Welt mehr leben können. Aber vielleicht anderswo in anderer Weise, nicht mehr als
Gemeinschaft
und trotzdem respektvoll im Umgang mit den Menschen, die ihnen haushoch unterlegen waren...
Heaven, die sich am Rand des Dorfes aus ihrer Fledermausgestalt zurückverwandelte, hoffte beim Anblick der verbrannten Zelte nicht nur das. Sie erhoffte sich auch, hier eine Spur von Hidden Moon zu finden – ehe sie ihren Flug mit noch unbestimmtem Ziel fortsetzte.
In ihrem Kopf wisperte der gespenstische Wahn. Unablässig. Nicht einmal im Zustand der Transformation hatte er sie verschont.
Heavens nackte Füße schritten durch Asche und Staub. Ansonsten war sie in ein grauschwarzes Catsuit gekleidet, das ihre Weiblichkeit eher unterstrich als kaschierte. Aber daran dachte sie nicht. Daran dachte sie nie...
»Hidden Moon?«, Sie rief seinen Namen, so laut sie konnte. »Wyando?«
Sie sog die Luft ein. Sie wusste, dass keine Antwort kommen würde.
Weitere Kostenlose Bücher