BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
explodierte.
»Er ist da«, sagte er über die Schulter zu Geordi und ging zur Tür. Er hatte sie kaum geöffnet, da drängte sich auch schon eine hagere Gestalt in einem fast bodenlangen Mantel an ihm vorbei.
Doc Manners blieb stehen und sah ihn aus Augen an, deren Müdigkeit durch die stets auf Halbmast gehissten Lider noch offensichtlicher Ausdruck fand.
»Wo ist –?«, setzte er an. Unter der Bewegung der unsichtbaren Lippen zuckte sein Schnauzbart wie etwas Lebendiges. Ein neuerlicher Schrei, der wie ein Heulen des Windes durchs Haus fuhr, unterbrach ihn.
»Ah, oben«, sagte der Arzt. »Natürlich. Kommen Sie mit, Darren? Sie können mir zur Hand gehen.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Tewes. »Kommen Sie.« Er ging voran zur Treppe.
»Kann ich mit?«, fragte Geordi leise.
»Nein, bleib hier unten, Junge«, sagte sein Vater. »Wir holen dich, wenn dein Geschwisterchen da ist, okay?«
»Ja, Sir.«
Tewes stieg die schmalen Stufen ins Obergeschoß hinaus, der Doktor folgte ihm.
»Hier ist sie.« Darren Tewes öffnete die Tür zum Schlafzimmer. Augenblicklich gewannen die Schreie seiner Frau an Kraft. Mit schweißglänzendem Gesicht lag sie auf dem Ehebett inmitten des schlicht eingerichteten Raumes. Ihr gewölbter Bauch zeichnete sich unter der Zudecke ab wie ein riesiger Ball.
Der Anblick schmerzte Darren Tewes in der Seele. Zum einen, weil er teilte, was Kristin unter dem Ansturm ungeborenen Lebens fühlte – zumindest soweit es ihm als Mann möglich war –; zum anderen, weil sie beide dieses Ungeborene zu einem Leben in Osceola verurteilt hatten, in dem Moment, da sie es ungewollt gezeugt hatten...
Der Blick, den Tewes von Doc Manners auffing, bewies ihm, dass auch der Arzt ihn dafür.. nun, nicht
hasste
; aber irgendetwas war in seinem Blick, das mehr war als Tadel und sich irgendwo auf der Emotionsskala ein Stück unterhalb der Grenze zur Verachtung verlor. In jedem Fall war es etwas, das Darren Tewes tief traf – und etwas wie Hass gegen sich selbst auszulösen drohte.
Und als er zu Kristin hinsah, entdeckte er jenseits des flackernden Glanzes ihres Blickes etwas sehr Ähnliches...
»Nun denn«, sagte Doc Manners. Er zog einen Stuhl heran und ließ sich neben dem Bett darauf nieder. Seine bauchige Arzttasche stellte er auf dem Nachttisch ab und öffnete sie.
In dieser leicht zur Seite gebeugten Haltung erstarrte er.
Wie auch Darren Tewes plötzlich gelähmt schien.
Nur für einen Moment, allerhöchstens für die Dauer einer Sekunde.
Solange sie
es
empfingen.
Etwas, das aus dem Nichts kommend den Raum erreichte und ausfüllte und etwas tief in ihnen berührte,
initialisierte
.
Etwas wie ein – Ruf...
Als er verhallt war, regten sich die beiden Männer wieder, führten die Bewegung des Momentes zu Ende. Und taten dann doch etwas ganz anderes.
»Kommen Sie«, sagte Manners und gab Tewes einen Wink.
Er ging zur Tür.
Darren Tewes folgte ihm, blieb aber noch einmal stehen, als ihn Kristins Stimme einholte, schwach, aber verzweifelt und schmerzerfüllt.
»Nein, Darren, bitte nicht. Bleib bei mir. Hilf mir...«
Tränen verschleierten seinen Blick. Kristins Gestalt verschwamm zu einer Ansammlung grotesker Schlieren. Doch seine Stimme klang hart, kalt, als er erwiderte: »Ich kann nicht. Wir müssen gehen. Wir werden gebraucht.«
Dann verließ er das Schlafzimmer, ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder auch nur einen Blick zurückzuwerfen, und ging Manners nach. Unten schloss Geordi sich ihnen an. Auch ihn interessierte das Schicksal seiner Mutter nicht länger.
Denn in Osceola gab es Bande, die stärker waren als jene, die eine Familie zusammenhielten.
OSCEOLA...
Das Schild verschwand hinter ihnen, als der Wagen die imaginäre Linie zwischen der kleinen Stadt und dem Rest der Welt überquerte.
Aber es schien im gleichen Moment viel mehr zu geschehen; sehr viel mehr.
Heaven spürte es, obwohl der brennende Durst alles bestimmend in ihr war und dunkle Blitze jeden ihrer Gedanken zu zertrümmern trachteten.
So
, dachte sie auf einer tieferen Ebene ihres Bewusstseins, die noch nicht vom tobenden Chaos erobert worden war,
muss der Wahnsinn beginnen
...
Und mit eben jenem letzten Rest von Klarheit nahm sie auch wahr, was in dem Moment passierte, da Hidden Moon den Wagen am Ortsschild vorüberlenkte.
Der Rest der Welt schien nicht einfach hinter ihnen zurückzubleiben – sondern zu
verschwinden
. Als wäre er Teil einer anderen Wirklichkeit, die sie eben verlassen
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