BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Lebens Osceola hinter ihnen gewirkt hatte, so belebt zeigte es sich vor ihnen. Die Straße war – nun, nicht
voller
Menschen, aber es waren in Anbetracht der bisherigen Leere doch auffallend viele, die aus allen Richtung kamen und ein gemeinsames Ziel hatten. Sie verschwanden samt und sonders in einem Ziegelgebäude, über dessen Eingang eine Leuchtreklame flackerte.
Hidden Moon nahm den Fuß etwas vom Gaspedal.
»Was hast du vor?«, fragte Heaven.
Der Arapaho stoppte den Wagen schließlich am Straßenrand.
»Wir sollten ein paar Fragen stellen«, sagte er.
»Hier?«
»Wo sonst?«, meinte er. »Hier scheint ja zumindest etwas los zu sein. Und in einer Kneipe erfährt man immer am meisten.«
Er lächelte matt und wies auf das Gebäude, in dem die Leute verschwunden waren, nachdem sie sich wie Motten, die vom Licht angezogen wurden, darauf zubewegt hatten.
Als sie aus dem Wagen stiegen, spürte Heaven die Blicke aus den Schatten noch intensiver. Fast unbewusst befahl sie dem Symbionten, sich »hochzuschließen«.
Dann folgte sie Hidden Moon in die Kneipe, deren Name über dem Eingang in blutigem Neonlicht glomm:
Stoker's
.
Er spürte etwas wie vage Verwandtschaft.
Und für kurze Zeit kroch sein kaltes Blut ein weniger schneller durch die uralten Adern. Die Aussicht auf Gesellschaft, die seinem Stande würdig war (wenn freilich auch nicht
ebenbürtig
– schwarzes Blut allein erhob niemanden in den Stand, den er einst innegehabt hatte), beseelte ihn mit einem Hochgefühl, das er seit wahren Ewigkeiten nicht mehr empfunden hatte: Seit er alles verloren hatte, was seine Existenz einst rechtfertigte...
Doch das Gefühl verging – viel zu rasch, als dass sein müdes Sein sich daran hätte berauschen können. Denn je länger er sie »erforschte«, desto offenbarer wurde die Andersartigkeit derer, die sein kleines Reich so unvermittelt betreten hatten. Sie waren nicht wirklich von seiner Art, und selbst
zwischen
den beiden fremden Wesen bestanden Unterschiede.
Nein, sie taugten nicht dazu, sein Dasein dauerhaft zu versüßen. Allenfalls zur Zerstreuung konnten sie ihm dienen. Ein paar Nächte lang vielleicht würde er sich an dem weiden können, was er ihnen antun konnte – wenn er ihrer habhaft geworden war.
Ein paar Nächte lang...
Sein freudloses Lachen wehte durch die Leere des Hauses. Wie lächerlich gering war diese Zeitspanne doch im Vergleich zu der, die sein Leben schon währte. Sie war weniger als ein Tropfen im Meer dieser – Jahrtausende...
Als er bemerkte, dass auch sie seine Präsenz bemerkten, zog er sich zurück, beschränkte den Kontakt auf bloße Beobachtung, während er das Ganze als reizvolle Möglichkeit betrachtete, seinen grässlichen Träumen für eine Weile zu entkommen.
Nachdem er seine Spielfiguren in Position gebracht hatte, mahnte er sie zur Vorsicht und Zurückhaltung. Sie sollten nicht zu früh verraten, wes Geistes Diener sie waren. Und vielleicht würde er den anderen ja sogar eine Chance einräumen, dieses Spiel zu gewinnen – oder wenigstens doch mit heiler Haut zu überstehen...
Dann ergötzte er sich an dem, was sie unter seiner Führung taten.
Sein hyänenartiges Lachen hallte durch
God's Garden
.
Dazu klatschte er fortwährend in die Hände. Freudig wie ein Kind zunächst.
Und schließlich wie – wahnsinnig...
Heaven wusste nicht genau, was sie im Innern der Kneipe erwartet hatte. Sicher, irgendetwas Ungewöhnliches nach all den Merkwürdigkeiten, die ihnen draußen schon aufgefallen waren – die seltsame Atmosphäre, die wie drückend über Osceola hing; die Gestalten, die ihre Ankunft aus Winkeln und Ecken heraus beobachtet hatten, und schließlich die Leute, die wie von einem Magneten gezogen auf das
Stoker's
zugesteuert und hineingegangen waren.
Nach all dem hatte sie nicht geglaubt, dass die Situation in dem Lokal sie würde überraschen können. Doch sie hatte sich geirrt.
Denn in dem Laden war alles – »normal«. Zumindest aber nicht außergewöhnlich.
So oder ähnlich reagierten die Stammgäste eines jeden Pubs, wenn Fremde ihn betraten. Zumal, wenn die Neuankömmlinge einen derart sonderbaren Anblick boten, wie Heaven und Hidden Moon es taten: sie von atemberaubender Schönheit und gekleidet in etwas, das ihre Formen wie schwarzer Lack umfloss; er groß, kräftig, mit schulterlangem Haar – ein Indianer par excellence.
Als sie durch die hüfthohen Schwingtüren traten, verstummten die halblauten Gespräche an Theke und Tischen
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