BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
gebrochen, schwoll er an zu einem Chor, den allein der Irrsinn dirigierte. Und diese Stimmen schrien selbst dann noch, als er längst verstummt war.
Irgendwann kehrte die Grabesstille schließlich zurück.
Zur Ruhe indes kam er nicht. Denn Verwirrung füllte die Klüfte zwischen den Teilen seines vor Urzeiten zerbrochenen Geistes.
Er verstand nicht, was dort draußen geschehen war. Zu seltsam waren jene beiden Wesen, mit denen er sich zum Zeitvertreib hatte beschäftigen wollen. Und nicht nur das – sie waren ihm weit weniger ähnlich, als er es zuvor noch angenommen hatte.
Ein Grund mehr, sie kennenzulernen.
Sie einzuladen.
Vielleicht stand ihnen der Sinn ja nach einer kleinen Feier? Nun, und wenn nicht, würde er ihnen den Sinn eben danach richten...
Begeistert klatschte er in die Hände. Weithin schallte das Geräusch und erreichte auf mystischen Wegen jene, für die es bestimmt war: die Gäste der Kneipe in Osceola. Sie wussten, was sie zu tun hatten. Sie hoben den Indianer auf, der wie tot zwischen ihnen am Boden lag, und trugen ihn hinaus.
Wie tot...
, echote es in dem Labyrinth, zu dem sein Verstand sich einst verzweigt hatte.
Hoffentlich nicht wirklich tot
, dachte er auf einer jener Scherben, in die sein Geist damals zersprungen war. Dieser indianische Vampir unterschied sich in solch einem Maße von ihm und seiner Art, dass es durchaus möglich sein mochte, dass er tatsächlich...
Er winkte kichernd ab.
Wenn schon; ihm blieb ja noch die andere. Im Augenblick jedoch verschwendete er nur einen flüchtigen Gedanken an sie. Um sie konnte er sich später noch kümmern. Sie würde seinem kleinen Reich nicht entkommen.
Jetzt galt es, sich anderer Dinge anzunehmen. Das Haus vorzubereiten auf diesen besonderen Gast. Schließlich sollte er sich wohlfühlen in
God's Garden
. Zumindest so lange, bis er seiner überdrüssig wurde...
Lachend eilte er durch die kahlen Gänge und Räume des Hauses – die hinter ihm weder leer noch kahl zurückblieben.
Heaven floh.
Vor den Verblendeten.
Vor Hidden Moon.
Vor sich selbst...
Sie wusste nicht, wie lange und wie weit sie auf den Lederschwingen ihrer Fledermausgestalt durch die Nacht gerast war. Irgendwann ging sie einfach nieder, verwandelte sich zurück und ließ sich in taufeuchtes Gras sinken.
Eine Stimme in ihr, die nicht wirklich ihr gehörte, wollte sie zur Umkehr zwingen. Zurück zu Hidden Moon treiben – aber nicht, um ihm beizustehen...
Mit der krächzenden Stimme einer Verdurstenden antwortete sie der anderen: »Nein, das tue ich nicht. Ich kann es nicht. Ich will es nicht!«
Dann stirb, du dümmstes Geschöpf, das je auf Erden wandelte
, keifte die andere Stimme, lautlos, aber mit jeder Silbe wie mit einer Klinge über Heavens Nerven fahrend.
»Ja, lieber sterbe ich«, flüsterte sie, »als dass ich Hidden Moon etwas zuleide täte.«
Die andere Stimme verstummte. Aber sie blieb in ihr. Selbst ihr Schweigen bedeutete Heaven Schmerz.
Sie schloss die Augen und zwang sich, ruhig zu atmen, versuchte nachzuahmen, was Menschen Meditation nannten. Der Versuch glückte leidlich. Zumindest aber gut genug, dass sie ihre wirbelnden Gedanken halbwegs in Ordnung bringen konnte.
Die Antwort auf jene Frage, die sie über allem beschäftigte, fand Heaven jedoch nicht darin.
»Was ist nur geschehen?«
Sie merkte kaum, dass sie sie laut stellte. So laut eben, wie ihre trockenen Stimmbänder es noch zuließen...
Etwas hatte zwischen ihr und dem Arapaho bestanden, war geflossen, wie in einer Art von Austausch. Dieses Etwas mochte daran »schuld« sein, dass sie ihm sein Blut nicht nehmen konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte...
Wollte sie es denn nicht? Hatte sie überhaupt die willentliche Möglichkeit, es
nicht
zu wollen?
Nach allem, was sie über sich, über ihre Aufgabe und ihre Bestimmung wusste, musste sie diese Frage verneinen. Sie war schlicht und ergreifend dazu
gezwungen
, es zu wollen.
Und doch widerstand sie. Was nur einen Schluss zuließ: Etwas war schiefgelaufen in SEINEM Plan. Etwas Unvorhergesehenes war eingetreten. Nur – konnte es etwas geben, dass der Schöpfer übersehen würde?
Wieder eine dieser Fragen, die Heaven nur mit Nein beantworten konnte. Und doch –
Sie spürte, dass die Antwort zum Greifen nahe lag. Sie war
in
ihr. Schon längst. Seit sie in die Augen des sterbenden...
Sie kam nicht dazu, den Gedanken weiterzuverfolgen, nachdem sie sein Ende fast erreicht, die Antwort beinahe schon gefunden hatte.
Etwas
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