Bad Dad
nicht im Geburtsvorbereitungskurs thematisiert und ich wollte schliesslich auch nicht - in einer Runde glänzender Elterngesichter - wie ein Soziopath dastehen. Die nächstbeste Identifikationsfigur, die mir in manch einsamer Stunde zur Verfügung stand, war Dexter, der angepasste Serienkiller aus der gleichnamigen Serie. Ein funktionaler Geisteskranker, der nach aussen ja charmant und hilfsbereit wirkt, beziehungsweise ist, im Inneren aber damit ringt, nicht DAS RICHTIGE fühlen zu können. Zugegeben, die Mordlust fehlt bei mir. Ausser in der U-Bahn, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Jedenfalls sind jetzt seit der Niederkunft unseres Hellen Passagiers über vier Wochen vergangen und ich bin glücklich darüber, berichten zu können, dass sich das vermeintliche Problem von selbst gelöst hat. Heute morgen fand ich nämlich den Kleinen bei meiner Frau im Bett, diesmal nicht im Frosch Outfit, sonder als kleinen Jedi-Ritter verkleidet. Nicht dass ich ein fanatischer Star Wars Fan wäre, denn selbst die Kindesmutter erkannte, darauf angesprochen, die frappante Ähnlichkeit unseres Jungen mit Obi-Wan Kenobi. Der trug auch meist so eine Jedi Toga, oder wie immer man diesen leinenfarbigen Kampfschurz auch nennt. Ich holte sofort die Spiegelreflex und schoss ein paar Bilder von unserem Doppelgänger. Mir war sofort klar, dass ich da in Photoshop noch ein Lichtschwert und einen braunen Gürtel rein montieren musste, was ich kurz darauf auch tat. Ein Stündchen später war das kleine Meisterwerk ausgedruckt und stand frisch gerahmt bei uns auf der Küchentheke.
Nachtrag: Seit diesem, 33. Lebenstag unseres quirligen Burschen, vergeht kein Tag, wo ich nicht mit einem breiten Grinsen im Gesicht in der Küche stehe und mir warm ums Herz wird. Fragt mich nicht, was es ist. Da ist jetzt jedenfalls was, das mir vorher verborgen blieb. Ich bin ein Mensch der sehr viel Sprache in seinem Leben braucht und Bilder, vielleicht wirklich auch mehr als andere; und nachdem mein Kind zu diesem Zeitpunkt noch nicht anders mit mir kommunizieren konnte, als schlichtweg einfach nur "zu sein", bedurfte es möglicherweise eines grossen ikonischen Moments, damit ich endlich kapieren (fühlen) konnte, dass der fröhliche Zwerg zumindest zur Hälfte auch von mir kommt. Für's Logbuch: Sonntag, 29. Mai 2011, der Tag an den ich mich in meinen Sohn verknallt habe.
34. TAG: SCARFACE
Wieder was dazugelernt. Babys fallen mit ihren rasiermesserscharfen Habichtsklauen nicht nur spätnachts über hilflos schlummernden Eltern her, nein sie sind auch auto-aggressiv. Das heisst, sie zerschrammeln sich während ihrer leicht epileptisch anmutenden Breakdance Quengel-Einlagen selbst oft das Gesicht. Um das zu unterbinden, hat meine Frau gestern ein paar weisser Fäustlinge aus der mehreren Kubikmeter grossen Baby Klamotten Aufbewahrungstruhe gegraben und ohne mich zu informieren, dem Säugling übergezogen. Da verwundert es nicht, dass ich heute Morgen schlaftrunken dachte, dass mich der kleine Racker doch tatsächlich schon zu einem Boxkampf auffordern wollte.
"Na gut", sagte ich, "aber bei deiner Beinarbeit wird das ein kurzes Sparring werden."
Ich hatte schon die Fäuste in der Luft - keine Sorge, ich trug selbst vorsichtshalber Skihandschuhe - als plötzlich meine Frau ins Zimmer stürzt und mich wild kopfschüttelnd ansieht. Sie meinte, das sei keine Provokation des Kindes gewesen, sondern lediglich einer ihrer Tricks, die Zarte Gesichtshaut des Kindes vor weiteren Kratzern zu schützen. Ach so. Überdies hätte der Zwerg womöglich einen kleinen Ausbruch von "Baby Akne". Ich lache laut auf, während ich mir die improvisierten Boxhandschuhe ausziehe. Der war gut. Haha!
Ich dachte echt, die macht blöde Witze. Tatsächlich aber, so klärt sie mich auf, kommt es in einigen Fällen ein paar Wochen nach der Geburt zu hormonell bedingten Hautveränderungen, die sich als Pickel oder Mitesser auf Wange, Kinn und Stirn manifestieren können. Ich bin sprachlos, kaum ein Monat alt und schon muss sich das arme Kind für sein Äusseres genieren. Ich glaubte nämlich bislang, dass der grosse Doppel Whopper an Peinlichkeiten ganz gebündelt und dafür gnädiger weise nur einmal (in der Pubertät) zu verdauen ist. Dabei spielen die Talgdrüsen jetzt schon verrückt!
Grauenhaft.
"Ob man da nichts dagegen unternehmen kann", frage ich, "damit sich das nicht zur Akne Quattro Stagione auswächst?"
Wenn ich verunsichert oder besorgt bin, überspiele ich
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