Bad Dad

ein öffentlicher Raum, behalte deine körperlichen Ausdünstungen für dich. 

37. TAG: IN DREI TAGEN IST SONNTAG

    Ab heute nehme ich ab. In neun von meinen zehn T-Shirts sehe ich aus, als würde ich einen Gymnastikball schmuggeln. So kann das nicht weitergehen. Also auf zum Sport und dann wird Obst gegessen. Wie jeden Tag packe ich wieder die Kernfamilie ins Auto und fahre, korrekt blinkend und langsam, aus der Parklücke. Hinter mir beschleunigt ein Taxifahrer absichtlich in der 30er Zone auf 180 Km/h, um mich dann hysterisch anhupen zu können. Meine Frau erschrickt ganz ordentlich. Ich blockiere die Fahrspur für lange 3 Sekunden und überlege ernsthaft, auszusteigen, den kreischenden Taxler durchs Fenster rauszuziehen und am Bordstein zu erdrosseln. In dem Moment scheint es die lange Haftstrafe wert zu sein. "Wann genau wurden die Strassen zum Kriegsgebiet erklärt?", fragt meine Frau von hinten am Rücksitz. Ich hab keine Antwort. Klar, Dinge passieren, Leute machen Fehler am Steuer, hin und wieder kommt es zu verzwickten Situationen. Aber korrektes Fahrverhalten mit aggressivem so zu provozieren, dass sich Gefahrensituationen erst ergeben, da brennt bei mir echt die Sicherung durch. - Tick - Die vierte Sekunde verstreicht. Ich denke an Michael Douglas, den Anzug tragenden Familienvater aus "Falling Down", in einer Hand den Aktenkoffer in der anderen die Schrotflinte. Vor den höflich zuvorkommenden Männern, den geduldigen und aufmerksamen sollte man sich fürchten. Mein Überdruckventil pfeift. - Tick - Irgendwie schaffe ich es dann doch, sitzenzubleiben und loszufahren. Wie üblich suche ich den Fehler bei mir, vielleicht habe ich ja doch was falsch gemacht und hätte mich entschuldigen sollen.

    Warum bin ich so am Limit? Ist es der leere Magen, kein Zucker im Blut? Nein, ich glaube, es hat was mit dem kommenden Sonntag zu tun. Denn schon wieder wird einer der unzähligen Neffen meiner Lebensgefährtin in irgendeiner miefigen Kirche am Arsch der Welt zu einem Konfirmations- oder Kommunions- oder sonst einem mit Komm beginnenden Ritus genötigt. Und gemeinsam mit dem ahnungslosen Kind natürlich auch ich. Das heisst fünf Stunden Autofahrt mit einem Säugling auf der Rückbank und dem angepissten Vater am Steuer. Ganz ehrlich, mir reicht meine Familie. Aber man versucht mich weiterhin, mit sonntäglichen Grillwürstel im Garten zu verlocken. Ich könne auch Alkohol trinken, heisst es. 

    Ich renne die Hügel rauf und runter, Joggen ist für Feiglinge. Meine Lunge pfeift und hängt leblos im Brustkorb wie zwei punktierte Kinderballons. Angesichts der garantierten Gesundheitshysterie am Sonntag überlege ich wieder mal, mit dem Rauchen aufzuhören. Aber die Kombination aus Familienauftrieb und Abstinenz stresst mich allein schon in Gedanken und ich will plötzlich eine rauchen. Noch während ich laufe. Meine Frau versteht immer noch nicht, dass ein Nachmittag voll schwelender Konfliktherde zwischen anderen Ehepartnern, Gesprächen über Todesstrahlen aus dem Fernseher, die Vorzüge von überteuerten Öko Tomaten aus dem Biosupermarkt, Impf-Verweigerungsstrategien und Prophezeihungen von Erzengelkarten nicht unbedingt meiner Vorstellung von erquicklicher Unterhaltung entspricht. Populärkultur als Gesprächsthema kann ich mir für Gewöhnlich auch abschminken, denn die wird ja ganz generell mit pädagogisch kalkulierter Abschätzigkeit ignoriert, wenn nicht sogar für gefährlich erklärt. Im Internet kenne man sich auch nicht aus, heisst es dann fast stolz, Zeitungen läse man nicht, denn die seien - wie man weiss - ja alle in den Händen geldgieriger Weltverschwörungskonzerne.
    Bücher? Aber natürlich. Schliesslich wäre es ja in einem akademischen Haushalt unschicklich, die Kulturtechnik des Lesens nicht schmackhaft zu machen. Ausserdem beziehe man ja aus Büchern echtes Wissen, Werte und Lebenshilfe. Nun behaupte ich alte Leseratte mal, ohne je die erwähnte Hausbibliothek gesehen zu haben, dass sich da vor allem Werke über die noblen Wilden (Weise Indianer!), das Geheimnis ("The Secret" - Wünsch dir was vom Universum), die geheime Kraft der Kristalle, Meditation & Yoga, die Weisheiten selbsternannter Indischer Gurus, vegetarisches Kochen, Aura Deutung, Alice Millers Erziehungsweisheiten und Waldorf Pädagogik türmen. Die meisten davon natürlich makellos und ungelesen. Ach ja, Feng Shui und "Celestine Prophecy" habe ich noch vergessen. - Fände ich da einen vergammelten "Twilight" oder "Harry