Bad Fucking
Dr. Ulrich hatte für den Ölschinken zweitausend Euro (ohne Rechnung!) bezahlt, um die es ihm heute noch leid tat. Aber Jasmin hatte sich zu ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag ein Bild von einem modernen Maler gewünscht. Bereits einen Monat später hatte sie das Gemälde ihrem Mann mit der Bemerkung zurückgegeben, dass es besser in seine Ordination als in ihr Wohnzimmer passen würde.
Der Arzt nahm einen Zettel aus dem Tresor, ging zum Schreibtisch und wählte eine Nummer. Er legte aber gleich wieder auf und steckte den Zettel in seine Brusttasche. Dann schloss er die Tresortür und drückte das Gemälde, das an einer Seite mit Scharnieren an der Mauer befestigt war, gegen die Wand. Er holte seine Rindsledertasche und ging zurück in den Behandlungsraum.
»Frau Dragičević, ich muss herausfinden, was mit dem Schallmoser passiert ist.« Im Weggehen winkte er Jagoda zu sich heran. »Sie müssen schauen, dass Sie den Bartl und den Hund so schnell wie möglich loswerden. Von mir aus verbinden Sie den Hund, aber bitte sorgen Sie dafür, dass die beiden von hier verschwinden.«
Dr. Ulrich verließ die Ordination und schlug die Tür zu.
»Verdammte Scheiße«, hörte Jagoda den Zahnarzt im Stiegenhaus fluchen.
Aloysius Hintersteiner saß mit einem Vertreter der Immobilienentwicklungsgesellschaft
Omega
im Besprechungszimmer des Gemeindeamts und kam nicht nur wegen der stickigen Luft gehörig ins Schwitzen. Obwohl die umtriebige Sekretärin Ilse Sussalek bereits in der Früh die Vorhänge zugezogen und einen Ventilator auf den Konferenztisch gestellt hatte, war es im Zimmer immer noch unerträglich heiß. Auf Hintersteiners hellblauem Hemd, das sich über seinem dicken Bierbauch gefährlich spannte, hatten sich an mehreren Stellen bereits Schweißflecken gebildet. Während sich der Bürgermeister wie in einer Sauna fühlte, tat sein Gegenüber im dunklen Anzug so, als könnten ihm weder glühende Hitze noch arktische Kälte etwas anhaben.
Der Mann hieß Alexander Bendar, war vierunddreißig Jahre alt und arbeitete als Portfoliomanager für die IEG
Omega
mit Sitz auf den Jersey Islands. Bendars Arbeitsplatz befand sich in einem Büro neben der Wiener Börse. Er hatte die beschwerliche Reise nach Bad Fucking nur auf sich genommen, weil ihn der Bürgermeister dringend um dieses Gespräch gebeten hatte.
Dem Trend der Zeit folgend, hatte man vor einigen Jahren auch in Bad Fucking beschlossen, einen Teil der Gelder, die man durch den Verkauf diverser Grundstücke und Liegenschaften eingenommen hatte, renommierten Anlageexperten zu überlassen. In ihren schwarzen Limousinen hatten damals Fondsmanager, Derivatehändler und andere clevere Spekulanten eine Gemeinde nach der anderen abgeklappert und den ahnungslosen Lokalpolitikern das Blaue vom Himmel versprochen. Diese fühlten sich natürlich geschmeichelt, weil endlich die große, weite Welt des internationalen Kapitals auch in ihren Kaffs Einzug hielt und sie sich im Kampf um die Gunst der Wählerinnen und Wähler in einem Bereich wichtig machen konnten, von dem sie nicht die geringste Ahnung hatten.
Und siehe da: In den ersten beiden Jahren lief alles wie geschmiert, und die Erfolgsmeldungen von den Offshore-Finanzplätzen rissen nicht mehr ab. Anleihen, Aktien, Immobilien und hochspekulative Risikopapiere entpuppten sich als wahre Geldscheißer, und das Faxgerät im Büro des Bürgermeisters von Bad Fucking spuckte Woche für Woche Zahlenreihen aus, vor denen immer ein fettes Plus stand. Wenn das so weiterging, konnte Bad Fucking wieder in den Tourismus investieren, und am Ende würde es nach einer allzu langen Durststrecke steil bergauf gehen. Gemäß dem Motto
Gier frisst Hirn
ließ man die Fondsmanager schalten und walten, wie sie wollten, bis man auch in Bad Fucking die bittere Erfahrung machen musste, dass es nicht immer um den gleichnamigen Hollywoodfilm ging, wenn vom
Fluch der Karibik
die Rede war.
Alexander Bendar legte routinemäßig seine drei Handys vor sich auf den Tisch und warf alle paar Sekundeneinen Blick auf deren leuchtende Displays. »Ich verstehe das nicht«, sagte er kopfschüttelnd. »Ich war vergangene Woche in Mali, wo ich für unseren Konzern zehntausend Hektar landwirtschaftliche Anbauflächen gekauft habe, und selbst dort hat in jedem noch so abgelegenen Dorf mein Handy funktioniert. Nur in Bad Fucking verschließt man sich dem technischen Fortschritt.« Er nahm einen Schluck Mineralwasser und steckte sich eine Zigarette in den Mund,
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