Bad Fucking
das Wetter in direktem Zusammenhang mit der Rückkehr der Aale stand, und merkte, wie er es plötzlich mit der Angst zu tun bekam. Als irgendwo in der Nähe ein Blitz einschlug und den Wald gespenstisch beleuchtete, zuckte er zusammen und drückte sich an den nassen Felsen. Er schloss die Augen und dachte an das Altarbild in der Kirche. Es irritierte ihn, dass auf dem Bild weder Regen noch Blitze zu sehen waren und die Beweinung Christi offenbar bei schönem Wetter stattfand. Wellisch wusste aber, dass er die Sache so oder so zu Ende bringen musste. Er bekreuzigte sich, griff nach den beiden Kübeln und bahnte sich durch den tosenden Wald im aufgeweichten Boden den Weg zum See. Wellisch sah kaum noch etwas und musste sich auf seinen Instinkt verlassen.
Als er endlich die Stelle am Ufer des Sees erreicht hatte, stand er bereits bis zu den Knien im Sumpf. Wellisch war zu erschöpft, um klar denken zu können. Seine Arme schmerzten, und als er die Kübel abstellte, kippten sie um, und das Aalfutter vermischte sich umgehend mit dem matschigen Boden. Wellisch sah auf seine Armbanduhr. Es war 20 Uhr 13, die Zeit des Eintritts des Vollmonds. Er blickte zum Himmel, der schwarz war und nur ab und zu von Blitzen erhellt wurde. Der Regen fiel auf die Erde, als hätte der Himmel sämtliche Schleusen geöffnet, und als Wellisch einmal kurz den Vollmond sah, wusste er, dass er diesen Ort nicht mehr lebend verlassen würde.
Und dann kamen sie! Wie auf dem Altarbild dargestellt, näherten sie sich durch eine Schneise im Wald. Schemenhaft erkannte Wellisch eine ungeheure Massevon Aalen, die sich wie ein schwarzes Ungeheuer auf ihn zubewegten. Die Erde bebte, und trotz des Regens konnte er den intensiven Geruch der Tiere wahrnehmen. Plötzlich waren sie überall. Er spürte ihren Schleim auf seiner Haut und hörte ein tausendfaches helles Quietschen. Unendlich viele Aale glitschten über ihn hinweg, wobei einige hängenblieben und kleine Fleischfetzen aus ihm herausrissen. Aber Wellisch spürte keinen Schmerz, sondern eine Euphorie, die ihm die Tür in eine andere Welt öffnete.
»Ja, ihr seid zurückgekommen«, brüllte er. Er versuchte, seine blutverschmierten Arme hochzuheben, was ihm auch kurz gelang. Einem triumphierenden Messias gleich stand der unter den Aalmassen fast vollständig begrabene Gendarmerieinspektor Julius Wellisch in der sumpfigen Wiese am Ufer des Höllensees und schrie in Ekstase zum tiefschwarzen Himmel, aus dem es unablässig regnete. »Ich habe es gewusst! Die Prophezeiung hat sich erfüllt!« Wellischs Sheriffstern blitzte noch einmal auf, und das Letzte, was er sah, war ein riesiger Aal, der vor seinem Gesicht auftauchte und kurz innehielt. Wellisch riss den Mund auf. »Misereatur tui omnipotens Deus, et dimissis peccatis tuis, perducat te ad vitam aeternam.« Der Aal schoss mit ganzer Kraft in Wellischs Mund und bahnte sich seinen Weg durch die Eingeweide seines Opfers. Wellisch verdrehte die Augen und spürte, wie in seinem Inneren etwas zerriss. Dann wurde es dunkel um ihn herum und dann war nichts mehr.
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