Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle
Mittagspause vorgemacht hatte. Von Tony und Shonna würde ich mir jedenfalls nicht den Tag verderben lassen. Oh nein. Ich würde mein inneres Gleichgewicht wahren. Unabhängig bleiben. Mich in allem nur auf mich selbst verlassen. Ich stand auf und schaute in den Spiegel. Die Feder in meinem Haar war umgeknickt. Es sah bescheuert aus.
Ich hatte ja gleich gewusst, dass heute ein Bad Hair Day war. Da gab es nichts zu retten. Ich ging ins Badezimmer, drehte die Dusche auf und stellte mich drunter.
»Ich stelle keine Fragen«, sagte Mum, als sie mich tropfnass in meiner Schuluniform auf der Badematte stehen sah. »Und ich brülle auch nicht, damit es nicht eskaliert und in einem häuslichen Doppelmord endet.«
»Gut«, sagte ich. Und dann noch: »Ich mach alles wieder trocken, okay?«
Ich war beeindruckt: Meine Mum kann manchmal echt cool in Situationen sein, in denen ich es ihr nie zugetraut hätte. Zum Beispiel jetzt, als ich in meiner klatschnassen Schuluniform vor ihr stand.
»Am besten, wir reden nicht drüber«, sagte Mum. »Auch nicht über die Tatsache, dass der Blazer in die Reinigung muss und nicht gewaschen werden darf.«
Und sie hielt Wort.
Aber jetzt saß ich wie auf Kohlen und hoffte, dass Mum bald ins Bett ging, damit ich meine E-Mails auf ihrem Laptop checken konnte. Vielleicht hatten mir die Dads Nr. 241, 254 und 278 ja zurückgeschrieben?
Leider klebte Mum an diesem Abend geradezu an ihrem Laptop. Ich tigerte herum, ging immer wieder ins Wohnzimmer hinüber und starrte auf den Computer, in der Hoffnung, dass ich ihn mir klauen konnte.
»Ist was mit dir, Süße?«, fragte Mum. »Du bist so unruhig.« Sie blätterte jetzt ihre Karteikarten durch, den Ellbogen auf den Laptop gestürzt. »Und blass bist du auch.«
Ich spielte mit dem Gedanken, mich krank zu stellen – nur um Mum zu beruhigen. Sie denkt immer, ich bin krank oder brüte irgendwas aus. Und nichts macht sie glücklicher, als wenn sie meine Temperatur messen oder mir heiße Zitrone mit Honig machen kann.
»Alles okay«, sagte ich trotzdem, »hab nur jede Menge Zeugs zu lernen, vor dem ich mich gern drücken würde. Aber keine Sorge, alles ist gut. Alles im grünen Bereich.«
Mum legte den Arm um mich und drückte mich an sich. Ich liebe meine Mum und die Versuchung war groß, ihr alles zu erzählen, als wir jetzt unter uns waren. Über Tony und Shonna, über die drei Dads. Aber sie hätte nichts davon ohne großes Tamtam gelöst. Ich wusste genau, dass das nicht unter uns bleiben würde wie in einer normalen Mutter-Tochter-Beziehung. Mum würde überreagieren und alle miteinbeziehen. Sie würde Onkel Zé herholen (zum Kochen) und Tante Lilah (für die hysterischen Anfälle) und Großtante Rita (damit sie alle anbrüllen konnte). Nein, ich musste das allein regeln und der Versuchung widerstehen, alles auszuplaudern.
Ich griff also nach der Fernbedienung, statt Mum mein Herz auszuschütten, und schaltete den Fernseher ein. Ich spürte, wie mir sofort die Tränen in die Augen schossen, als ich an die Schule und an Shonna und Tony dachte. Good as it Gets – Hinter den Kulissen, ein Ableger von Tante Lilahs geliebter Dienstagabendserie, fing gerade an, und im selben Moment klingelte es an der Tür.
»Donnerstag«, sagte Mum. »Heute muss Donnerstag sein!«
Hilfe! Hoffentlich werde ich nie so, dass man mein ganzes Leben und was ich gerade mache oder wo ich mich aufhalte, am Fernsehprogramm ablesen kann. Dann kann ich mich ja gleich erschießen. Tante Lila »juhute« die Treppe herauf, weil heute Donnerstag war und das Making-of ihrer Lieblingsserie lief und weil sie zu Hause niemanden hatte, der es mit ihr anschauen wollte. Es war tragisch, echt, aber auch unterhaltsam, und deshalb stürmte ich diesmal nicht in mein Zimmer. Ich setzte mich neben Mum, und wir verdrehten die Augen hinter Tante Lilahs Rücken und lachten über die Kandidaten, die sich für tolle Sänger hielten, aber total unmusikalisch waren, oder über die Möchtegerntänzer mit den zwei linken Füßen.
»Das war unglaublich!«, sagte Harry »The Hurricane« Hodder, der schreckliche Typ vom Jurorenteam, nachdem eine Frau in Beige My Heart will Go On gejault hatte.
»Danke«, sagte die Beige.
»Nein, halt, das war kein Kompliment. Es war einfach unglaublich grauenhaft – kein Gesang, sondern Gebrüll. Als ob Sie mit Ihrer Nachbarin gestritten hätten.«
Tante Lilah renkte sich fast den Kiefer aus vor Lachen, so toll fand sie diesen Witz.
Als Tante Lilah endlich
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