Bad Hair Years
und Rosenblüten vom Boden auf und versuche gleichzeitig, ihm begeisterte italienische Mamas vom Leib zu halten. Ja, natürlich ist der bello, aber um Himmels Willen, das arme Kind!
Nach Standesamt und Champagner bis zum Abwinken sieht der Ablaufplan eine kleine Pause vor. So hat man Zeit, sich in die Abendgarderobe zu zwängen, noch mehr Makeup aufzutragen und den ebenfalls angeschickerten Geschlechtsgenossinnen zu erklären, dass man auch kein zweites Paar Netzstrümpfe dabei hat, warum auch, ichmeine, warum Netzstrümpfe? Ich schlüpfe ins Kleidchen, laufe in meinem Hotelzimmer auf und ab, kucke italienische Talkshows und schwöre mir zum hundertsten Mal, jetzt endlich Italienisch zu lernen. Wo ich doch gerade so viel Zeit hab! Während ich der Moderatorin Champagner-beseelt nachplappere und dazu, wie ich finde, sehr italienisch gen Fernseher gestikuliere, fängt das Pärchen im Zimmer neben mir an zu streiten. Genaues kann ich dem Geschrei nicht entnehmen, lediglich »und mein Kamm! Mein Kamm ist auch nicht da!«, kreischt des Öfteren laut und deutlich durch die Wände. Ich lasse mich aufs Doppelbett fallen und bin froh, dass ich alleine hier bin. Wenigstens weiß ich ganz genau, wo mein Kamm ist.
Schön gekämmtsitze ich eine Stunde später da, wo ich hingehöre: am Singletisch. Das ist hier eine ordentliche und sehr schöne Hochzeit mit Tischordnung und allem, was dazugehört. Dass ich mir dabei vorkomme wie auf einer Partnerbörse aus der Steinzeit, ist sehr wahrscheinlich mein Problem. Man könnte das auch anders lösen, indem man uns Schildchen umhängt: Martina, über dreißig, 90-60-90, Haarfarbe diskutierbar (Herrgott, also gut: 70-60-90).
Der Singletisch auf Hochzeiten ist das Äquivalent zum Kindertisch bei Familienfesten. Ich warte gespannt, ob man uns Kinderteller Pinocchio mit Pommes serviert und will schon Ketchup! schreien, aber wir bekommen das gleiche Menü wie die Erwachsenen. Immerhin. Mit mir am Tisch sitzen drei weitere weibliche, zwei männliche Singles und ein Pärchen: er dreiunddreißig, Unternehmensberater, sie zwanzig, blond, Busen. Nur mit Singles bekommt man offensichtlich keinen Acht-Personen-Tisch mehr voll, vielleicht sind wir mittlerweile vom Aussterben bedroht. Das würde einiges erklären. Vier Frauen also, zwei Männer. Am Ende müssen wir uns noch um die prügeln, als Programmpunkt zwischen Brautwalzer und Reden. Der eine sei aber »sowieso schwul«, so wird mir geflüstert. Ach so. Das hätte mir auch vorhin schon auffallen können, als eine leise Diskussion unter den Frauen entstand, weil seine grünen Turnschuhe ja nun wirklich nicht zum braunen Anzug und dem rosa Hemd passen, aber ich war mal wieder zu sehr mit mir selbst beschäftigt. »Find ich schon gut«, hab ich gesagt. Ist mir doch auch vollkommen egal, ich finde das einzige Pärchen am Tisch sowieso viel interessanter. Er zum Beispiel nimmt jedes Dekolleté ganz genau in Augenschein und gibt sich keinerlei Mühe, das zu verbergen. Man kann es ihm nicht verdenken, ich schiele mir selbst schon dauernd begeistert auf den Busen. (Lieber Erfinder des Push-up, was möchtest du trinken?) Ansonsten ist er sehr damit beschäftigt, seinem Mausi das Menü zu erklären: »Das ist Risotto, Mausi.«
»Es gibt Reis, Baby«, möchte ich erklärend hinzufügen, beiße mir aber auf die frisch geglossten Lippen. Für heute habe ich mir vorgenommen, ein Ausbund an Liebreiz zu sein. Das fällt zugegeben ein bisschen schwer, wenn man aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen gestylt ist wie eine Second-hand-Carrie-Bradshaw, aber mit genügend Champagner geht auch das.
Diverse Reden später und nach dem Brautwalzer folgt das Highlight des Abends. Die Braut klettert sehr hollywood auf eine Empore und dreht uns den Rücken zu, um den Brautstrauß zu werfen. Was bleibt mir übrig, ich reihe mich brav in die Gruppe der Partnerlosen ein. Meiner Meinung nach sollten wir hier allerdings nur zu viert stehen, alle anderen haben ja schon einen, das erscheint mir dann doch ein bisschen unfair. Andererseits warten die wahrscheinlich noch auf die Frage aller Fragen und den Ring, sie zu knechten und ewig zu binden …
Halt, Stopp, falscher Film. Aber warum sonst stehen sie hier und drängeln,die Hände gen Himmel? Wir sehen aus wie eine Frauen-Volleyballmannschaft auf Stilettos, und der hätte mich auch noch glatt am Kopf getroffen, der Blumenstrauß, wär die im Roten vor mir nicht hochgesprungen, um ihn abzufangen. Das nenn ich Einsatz! Ihr
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