Bad Hair Years
Freund hat das Ganze ein bisschen besorgt beobachtet, ihr dann aber doch ein Bussi auf die Backe gedrückt. Später kam sie zu mir, um sich zu entschuldigen, denn »der ist ja eigentlich genau zu dir geflogen«.
»Macht nichts«, winke ich großzügig und voller Liebreiz ab und trinke noch ein Glas Champagner. Dann noch eines und noch eines, dann weiß ich nicht mehr, und das war’s dann wahrscheinlich mit dem Liebreiz. Egal, ich will sowieso nicht heiraten. Ich will eine Wohnung, verdammt.
Bambi oder Baumarkt
Kaum zurück in München kommt die Zusage für die Dachstube, die Wohnung, die ich zuletzt besichtigt hatte. Ich unterschreibe den Mietvertrag mit gemischten Gefühlen, denn ich kann erst im November einziehen, sitze aber frierend auf einem Koffer voller Sommerkleidchen und schlafe immer noch auf der Couch. Außerdem befindet sich mein neues Zuhause jetzt doch im Schlachthofviertel. Wie konnte das passieren ? Das Schicksal. Schon wieder.
Die Reste meines New Yorker Glamourlebens sorgen dafür, dass die Spedition die Schweißarbeit übernimmt. Ich muss nur noch auspacken und das Beste aus der Dachwohnung machen, die übrigens Charme bis zum Gehtnichtmehr hat, was von meinen Vormietern völlig unbemerkt blieb. Ich hatte die Wohnung möbliert besichtigt, das war schlimm. Die hatten ein Faible für Schnickschnack der allerschlimmsten Sorte, Steinchen, Muscheln, Bildchen, es war alles sehr, sehr niedlich mit lauter -chens zugemüllt. Alle Feng-Shui-Kräfte lagen röchelnd in der Ecke.
Stellt sich die Frage: Bambi oder Baumarkt? Sobald es ans Handwerkliche geht, könnte man mir ebenso gut eine Sinuskurvenberechnung vorlegen oder Excel öffnen, das kann ich auch nicht. Ich erinnere mich an Andreas Umzug, Andrea macht immer alles selbst. Sie bohrt, sie montiert, sie verlegt und vorher vermisst sie alles ordentlich und ganz genau. Leider bin ich das Gegenteil, ich würde gerne alles selber machen, versuche es aber nur in seltenen Ausnahmefällen. Ich gehöre zu den Wird-schon-passen-Menschen, mein Kellerabteil ist voll mit Möbeln, die da schon irgendwie hinpassen, weil so eine Einstellung in einer Mansardenwohnung natürlich komplett nach hinten losgeht.
Ein »Schaust du mal, ist das gerade?«, beantworte ich grundsätzlich mit »passt schon!«. Ganz im Gegensatz zu meiner Schneller!-Mentalität entwickle ich bei nicht installierten Lampen und unaufgehängten Bildern eine schier unendliche Geduld. Meist warte ich einfach darauf, dass jemand zufällig vorbeikommt und mir ungefragt helfen möchte. Das passiert natürlich so gut wie nie, weil, wenn man einmal was braucht.
Nun gibt es Mittel und Augenaufschläge, um hilfsbereite Männer in die Wohnung zu locken. Leider ist mir schnell mal was peinlich, und einen hilflosen Bambi-Blick brächte ich nicht mal zustande, wenn mein Leben davon abhinge. Beim kleinsten derartigen Versuch fängt irgendetwas in meinem Kopf sofort schallend an zu lachen, wie soll ich da glaubhaft treudoofe hilfesuchende Augen hinbekommen? Außerdem würde man mir daraufhin lediglich eine besorgte Hand an meine offensichtlich fiebernde Stirn legen, meine Freunde kennen mich schließlich auch nicht erst seit gestern. Ich bitte einfach äußerst ungern um Hilfe. Erstens hasse ich es, meinen Freunden ihre kostbare Zeit zu stehlen, zweitens habe ich selbst meist Besseres zu tun, als stundenlang zuzusehen, wie jemand fluchend irgendetwas an meine Wände schraubt. So trolle ich mich in die Küche und koche einen Kaffee nach dem anderen für die hilfsbereite Person. Das Ergebnis sind leider zitternde Hände, noch mehr Gefluche und das dumpfe Gefühl, dass das Bild ohne den ganzen Kaffee vielleicht ein bisschen gerader an der Wand hängen würde.
Seltsamerweise versuche ich alles, was nur Muskeln und kein Werkzeug benötigt, immer erst mal alleine. Ich kann zwar mehr stemmen, als man so glauben möchte, neige aber trotzdem dazu, mich kräftemäßig völlig zu überschätzen, in jeder Hinsicht. Mehr als einmal fand ich mich deshalb schon halb unter schweren Möbeln begraben. Seither habe ich das Handy immer in Reichweite und sehe es weiter sportlich: Einen Kasten Bier in den fünften Stock zu schleppen ist ein ziemlich gutes Allroundtraining. Man darf halt, oben angekommen, nicht alles gleich wieder zunichtemachen, nur weil man gerade so einen Durst hat. Ein Kasten Mineralwasser geht auch, aber warum sollte ich Wasser in die Wohnung tragen, wenn ich oben nur den Hahn aufdrehen muss. Nein, ich besitze
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