Bad Hair Years
Stränge schlagen, das …«
»Bitte! Bitte, bitte, bitte. Und mach das Licht aus.«
»Das ist die Sonne.«
»Mach die Sonne aus, es ist verdammt noch mal erst Januar.«
»Im Erns t, du musst ein bisschen vorsichtiger werden, wir werden schließlich auch nicht jünger!«
»Eben! Scheiße!«
Nimm gefälligst deine dreckigen Pfoten von mir, Schwerkraft
Und wieder bleiben mir zweiundzwanzig Tage, um mich von der Neustartmanie zu erholen, bevor mich der Neustart von vorne erwischt, und zwar heimtückisch von hinten. Ich weiß, wann ich Geburtstag habe, das schon, aber Weihnachten ist auch jedes Jahr am 24.12. und trotzdem blinzle ich immer verschreckt und überrascht ins Lichtermeer.
Lächerliche zweiundzwanzig Tage bis zu meinem ganz persönlichen Neustart, bis ich wieder eins draufbekomme, bis ich schon wieder älter werde. Ich habe nichts gegen Neuanfänge, im Gegenteil, ich halte »alles auf Anfang« für ein großartiges Konzept. Könnte ich wie ich wollte, wäre ich also stinkreich, ich würde andauernd um- und wegziehen, dieses machen und dann wieder jenes, vielleicht auch gar nichts – hätte ich einen Reset-Knopf, er wäre wegen Überbeanspruchung kaum mehr zu sehen. So weit so ja nun, theoretisch habe ich längst alles in trockenen Tüchern.
Leider kommen die neuen Jahre nummeriert daher. Ich weiß nicht, wer sich das ausgedacht hat, wahrscheinlich macht es weniger Umstände zu zählen, als jedem Jahr einen eigenen Namen zu geben. Ich fände es allerdings ungleich hübscher, einen Brief zum Beispiel mit »am 22. Januar im Jahre der Peppermint Patty« zu datieren. Alles wird immer mehr oder älter, und genau hier bekomme ich langsam ein Problem. Das heißt, ich bekäme ein Problem, wäre ich nicht mittlerweile überzeugt, dass ein Fehler vorliegt. Ein Rechenfehler oder eine Verwechslung. Mein Alter kann so auf keinen Fall richtig sein, ich habe das vor Kurzem aus gegebenem Anlass überprüft. Lange musste ich überlegen, wie das zu rechnen sei, also was minus was wenn man drei Äpfel hat und was die Putzfrau verdient, wenn man einen Apfel verschenkt, dann holte ich den Taschenrechner. Die Anzeige zeigte zwar, was alle behaupten, inklusive meiner Mama, kann aber nicht stimmen. Die Zahl ist viel zu hoch, falsches Ergebnis, da seufzen die Mathelehrer ganz wie früher »oh mei, oh mei« und geben mir eine glatte Fünf. Plus einen Verweis wegen unerlaubter Zuhilfenahme eines Taschenrechners.
Ich habe noch keine hieb- und stichfesten Beweise, aber einen sehr starken Verdacht. Die Mama hat sich verrechnet, ganz klar, somit lässt sich auch meine Rechenschwäche erklären, zwei Fliegen, eine Klappe, es liegt in der Familie. So muss es gewesen sein, zum Beweis: In einer kurzen esoterischen Phase befragte ich sie einmal, wann ich denn genau geboren bin, um meinem Aszendenten auf die Spur zu kommen, damit ich ein zweites Sternzeichen in petto habe, falls für die Wassermänner mal wieder überhaupt nichts zappt. Sie wusste es nicht. Ich wiederhole: Sie wusste es nicht. »Mei, Marianne (Marianne heißt meine älteste Schwester), irgendwann am Vormittag.« Das spricht doch Bände! Wir sind vier Mädchen mit einem großen Bruder, da gewöhnt man sich schnell daran, erst im dritten oder vierten Anlauf mit dem richtigen Namen angesprochen zu werden. Man weiß doch aber, wann genau die Lieblingstochter auf die Welt kam! Meine Mutter verwechselt uns dauernd, da finde ich es nicht so weit hergeholt, dass ich auch verwechselt wurde und möglicherweise doch die Jüngste bin.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich zweifle nicht daran, die Tochter meiner Mutter zu sein. Ich behaupte nur, dass womöglich ein Fehler in der Reihenfolge vorliegt. Ich nenne diese Erkenntnis Beweisstück A und gehe vorerst davon aus, dass ich ganze zweieinhalb Jahre jünger bin. Ich fühle mich schon viel besser.
Zusätzlich ist es so, dass ich (angeblich) die Nummer vier von den Fünfen bin, die (angebliche) Nummer fünf, also Christa, aber weit erwachsener lebt, als ich das gebacken kriege, ich meine, jetzt ist die nicht nur verheiratet, sondern auch noch schwanger! Auch das scheint in der Familie zu liegen, die Tochter von Nummer zwei zum Beispiel hat uns trotz ihres zarten Alters alle schon zu Großtanten gemacht oder Schwipptanten oder wie man dann heißt. Ich würde ja mitmachen, aber bei mir stehen immer noch Ikea-Regale rum.
Es hat auch nichts mit meinem Aussehen zu tun, denn ich finde mich heute, äh, interessanter als damals
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