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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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das die Gläubigen hatten, von dem abwich, das die WOKOP erworben hatte? Was, wenn es nicht ›Mittwintertag‹ hieß, sondern, sechs Wochen vor Mittwintertag? Was, wenn da überhaupt kein Wort von Mittwinter stand? Was, wenn Remshi das Blut seines Opfers nehmen konnte, wann immer es ihm gefiel? Mein Sohn könnte schon tot sein.
    Dann hörten die Verstümmelungen abrupt auf. Eine ganze Weile blieb ich morphingetränkt einfach liegen. Es war, als hätten sie mir eine heiße Rüstung abgenommen und mich in ein Bad aus eisgekühlter Aloe gelegt. Köstlicher langer Schock. Alles, was sie abgetrennt, gebrochen oder verbrannt hatten, erneuerte sich nahtlos in einem molekularen Bacchanal. Nun ja, nicht ganz nahtlos. Eine Weile gab es dieses lähmende Gefühl, wo neues Material auf altes traf, ein Effekt wie der Schauder und das Summen des Blutes, wenn man sich den Musikantenknochen anhaute. Clint & Co. schienen verärgert – nicht über die Ergebnisse, sondern über den Stopp. Ich hatte den Eindruck, dass sie unterbrochen worden waren, obwohl noch viel wissenschaftliche Arbeit vor ihnen lag. Ein-, zweimal erhaschte ich durch den Drogennebel Hinweise auf ›die da‹ oder ›bei denen‹, in einem Ton, der verriet, dass ganz oben eine von ihnen nicht für gut befundene Entscheidung gefällt worden war.
    Eines Morgens (besser gesagt, zu der Zeit, als die Lichter angingen) erwachte ich und sah, wie Hugh eine Spritze aufzog. Ich war noch immer ans Bett gefesselt, aber sie hatten mir die Fessel abgenommen, mit der mein Kopf fixiert worden war. Die Angst war, wie sich herausstellte, nicht wirklich gewichen. Sie war sofort wieder da, riesig, greifbar. Hugh musste das wohl gespürt haben, weil ich ihn noch sagen hörte: »Keine Sorge, das ist nur ein Entspannungsmittel« – bevor die Lichter wieder ausgingen.

43
    Der Hunger weckte mich. Noch bevor ich die Augen aufschlug, wusste ich, es waren keine 24 Stunden mehr bis Vollmondaufgang. Wolf, ganz ungeduldig, sich die Lungen zu füllen, zerdrückte fast die meinen. Das Verwandlungsvorspiel knirschte und knallte in meinen Muskeln und Knochen. Meine Wirbelsäule wollte hinaus, gierte nach ihrer vollen wölfischen Länge. Nerven zitterten in Finger- und Zehgelenken, und wie ein schwerer Helm lag der Geist der Wolfsschädels um meinen. Eine Hand steckte in der Tasche meines Kittels, in den mir Clint & Co. vielleicht als Witz, vielleicht als versöhnliche Geste, Jakes Tagebuch geschoben hatten.
    Es gab keinen Zweifel, wo ich war: Calebs widerlicher Gestank und der scharfe Geruch des Eimers nach Urin, Erbrochenem und Salmiakgeist, trautes Heim – aber mit einer neuen olfaktorischen Note: der anregend drängende Geruch nach menschlichem Fleisch und Blut. Ich schlug die Augen auf.
    Natürlich war ich in meiner alten Zelle – aber ich war nicht allein. Walker, dünn, blaugeschlagen, unrasiert und nicht nur nach lebendem Fleisch riechend, sondern auch nach altem Stuhl, Urin und Schweiß, lag zusammengerollt in Hand-Fuß-Fesseln da, die mit einem Stahlkabel ans Gitter gebunden waren. Er war so deutlich erkennbar nicht in der Lage irgendetwas zu unternehmen, dass die Fesseln nur satirisch gemeint waren. Er trug nur noch seine Hose, und die war dreckig. Sein Gesicht war blass. Die blaugrünen Augen waren groß und hell und gebrochen. Das linke wies ein schwer entzündetes Gerstenkorn auf. Eine Irritation, die er nicht mehr bemerkte, wie ich wusste; sie war nicht groß genug, um sich über den Dauerlärm der anderen Wunden hinweg bemerkbar zu machen.
    »Oh Gott«, sagte ich.
    »Rühr mich nicht an.«
    Kleine Worte, die verrieten, dass sich etwas Großes verändert hatte. Oder gestorben war. Es wäre nicht so schlimm gewesen, wenn sich seine Stimme verändert hätte, aber das hatte sie nicht. Er war es, nur zutiefst anders.
    »Den haben sie heute hergebracht«, flüsterte Caleb, nicht aus Höflichkeit, sondern weil er kaum noch sprechen konnte. Ich sah ihn an. Er trug noch immer nichts außer der weißen Trainingshose. Der rosige Schweiß war getrocknet. Seine Haut spannte, war ganz durchscheinend, die Adern dunkler als sonst. Wie oft war er wohl seit meinem Verschwinden im Käfig gewesen? Ein distanzierter Teil von mir wunderte sich, dass er überhaupt noch am Leben war. Ein nicht so distanzierter Teil war erleichtert. ›Werd nicht sentimental, du Trottel. Du brauchst ihn lebendig, das ist alles.‹
    Ich wendete mich zu Walker. »Hey«, sagte ich.
    Er reagierte nicht. Er wollte mich

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