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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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wenn die Lösung zu dem Wissen, dass sie dir die linke Brust abtrennen werden, die wäre, sie einfach herzugeben, es geht nicht. Sie gehört zu dir. Sie ist eine Freundin, von der du nicht gewusst hast, wie zart und umfassend du sie liebst – bis sie von dir getrennt wird. Sie schreit stumm. Sie behält, zumindest für eine Weile, ihr Leben, ihre Bindung an dich. Doch wenn sie dann begreift, dass du nicht kommst, um sie zurückzufordern, dass der Vertrag zwischen euch unwiderruflich gebrochen worden ist, dann stirbt sie allein und betrogen und wird zu einem leblosen, jämmerlichen Gegenstand, unschicklich und verlassen.
    Das neue totalitäre Regime lautete Schmerz. Er war ermüdend in seiner idiotischen Unnahbarkeit gegen alles andere. Es gab nichts dagegen, keine Überzeugungskraft, kein Bestechungsgeld. Er war ein monolithischer Idiot, das Dümmste im ganzen Universum, das völlige Macht über das Klügste hatte, eine herzzerreißende Umkehrung. Ich gewöhnte mich an das Gefühl der durch einen Knebel unterdrückten Schreie, die zurückweichen und sich in meinem Schädel austoben mussten. Ich lernte Mitleid mit meinem Körper zu haben. Und die Quelle des Mitleids sprudelte endlos. Jede Verstümmelung bekam ihr gerüttelt Maß ab. Jede Amputation subtrahierte, nahm – buchstäblich – etwas von mir. Ich weinte. Nicht vor den Wissenschaftlern. Später, an das Bett geschnallt, in der Dunkelheit, umgeben von der Weihnachtsbeleuchtung der Labortechnik, weinte ich erst um meinen Verlust und dann über die Erkenntnis, wer solche Verluste denn verdient hätte, wenn nicht ich? Den Forschern war mein Leid egal – zumindest ergötzten sie sich nicht daran. Es ist für uns nur das Beste, wenn es für jemand anderen das Schlimmste ist. So meine Worte zu Jake, im Bett. Es ist für uns nur das Beste, wenn es für jemand anderen das Schlimmste ist. Anders als die Männer in Weiß wollten wir, die Ungeheuer, dass die Person, die wir töteten, es wusste – durch den Blutschleier und den Lärm ihrer eigenen Schreie hindurch –, dass wir nicht nur wussten, was wir da taten, sondern dass wir es auch gern taten. Wir wollten, dass unsere Opfer sahen, wie unsere Freude noch durch ihr Entsetzen wuchs, dass ihr Entsetzen notwendig, ihre Lage aussichtslos war. So die schmutzige Wahrheit, das obszöne Herz von Vögeln Töten Fressen: ihre Hoffnungslosigkeit speiste unsere Freude. Im menschlichen Apellationssenat schnitten die Wissenschaftler besser ab. Zumindest taten sie das alles nicht zum Spaß. Zumindest geilte sie das nicht auf.
    Aber das alles war mir vollkommen gleichgültig, als sie mir die Brust abschnitten und ein Auge ausrissen und mir die Zähne zogen. Das Fleisch im Schmerz interessiert sich nicht für alttestamentarische oder irgendeine andere Art von Gerechtigkeit. Es interessiert sich für nichts anderes als das Ende des Schmerzes. Ich hasste die Männer und weinte in der blinkenden Dunkelheit um meinen armen Körper und mein einsames Ich, noch während Wolf die gemetzelten Zellen zur Regeneration antrieb, ein Gefühl in Knochen, Nerven und Gewebe wie von einem Haufen wuseliger Insekten. Ganz gleich, welche Grausamkeiten man auch begeht, man wütet gegen jene, die einem Grausamkeiten zufügen.
    Sie führten eine Hysterektomie durch.
    Ich schlief immer wieder kurz, fiel in feuerversengte Träume und mühte mich aus ihnen heraus: ein Traum (wenig überraschend), lebendig von Ameisen gefressen zu werden; ein anderer von Jacquelines lackierten Fingernägeln, die die Haut von Lorcans Kopf abziehen; ein anderer über den Diner an der Tenth Street, mit der Coors-Neonreklame und den pinkfarbenen kunstledernen Sitzecken und der Pseudoschellack-Theke, wo Clay mich vor einen Vanilleshake setzte und mit mir wie mit einer Erwachsenen darüber sprach, welche Hölle ihm sein Mädchen bereitete; ein weiterer mischte das Labor mit der Nacht in Big Sur, und Jake tauchte seinen Penis in die rohe Masse, wo früher das Herz des aufgerissenen Wissenschaftlers gewesen war.
    Dann gerieten die Neonröhren ins Vibrieren, flackerten auf, die Weißkittel erschienen, und die nächste Sitzung begann. Ich hatte zuvor keine Angst gekannt. Man kennt die Angst nicht – nicht die fundamentale Sorte –, bis man weiß, was sie mit einem vorhaben, und man absolut keinerlei Macht hat, sie daran zu hindern. Wenn die Lichter aufflackerten, nässte ich mich unweigerlich ein. Den Forschern war das egal; sie rechneten schon damit. Ich sah mein verzerrtes

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