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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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nichts von den anderen wissen, hoffen wir – aber wenn, dann sind wir am Arsch.
    DEN HÖHENRÜCKEN HINAUF. FÜNF AUF DER MAUER. KOMMT SCHNELL.
    Die weißen Wände des Gebäudes waren satt vor Mondlicht. Ich folgte meinem sich kräuselnden Schatten das halbe Dutzend Stufen hinauf zum Haupteingang. Die Türen standen auf. Ich drückte sie weit auf, und der Gestank, der wie die Zunge eines toten Tieres herausgerollt kam, zwang mich wieder in die Knie. Ich konnte einen der Vampire – Meg, dachte ich – hinter mir lachen hören. Ich erhob mich wieder, blieb gekrümmt, stützte meine Hände auf die Knie, und meine Beine kämpften gegen ihr eigenes privates Delirium. Der Gang hatte eine hohe Decke, der Boden war mit dunkelblauem Marmor gefliest, beleuchtet von blass elfenbeinernen, in die Wand eingelassenen Leuchten. Mias Infos entsprechend zweigten links und rechts zwei weitere Flure ab.
    Atmen. Atmen. Atmen. Um einem üblen Gestank zu widerstehen, saugt man ihn auf, verpasst den Rezeptoren eine Überdosis, bis ihre Meldung überflüssig wird. Ich erhob mich zitternd. Dreißig Schritte vor mir klackten, ploppten und zischten Doppelstahltüren zwanzig Zentimeter weit auf. Kältere Luft. Darin der dichte Gestank der Untoten, Räucherwerk, Kerzenwachs, menschliches Fleisch und Blut.
    Und der Duft meines Sohnes.
    Der räumte mir den Kopf frei. Ich war müde, strahlte vor Ruhe, wie als Kind nach einem ganzen Tag des Spielens. Der kleine Funken ehrlichen Lebens war froh, den letzten Rest an Wahlmöglichkeit dahinschwinden zu sehen. Jetzt, da es nur noch so wenige Dinge gab, die ich tun konnte, würde es leichter werden, sie zu tun. Ich atmete tief ein, streckte mich zu voller Größe und ging auf die Türen zu.
    Der Raum dahinter war hoch, quadratisch, weiß und fensterlos, die Wände waren mit Flachglas belegt, und es sah ganz so aus, als wären alle Schüler (mit Ausnahme meines Begrüßungskomitees draußen) versammelt. Ein Dutzend bevorzugter menschlicher Vertrauter stand bei seinen Meistern.
    Lorcan, der verwandelt war und seinen Jammer regelrecht abstrahlte, lag rücklings auf dem Altar, Hände und Füße gefesselt. Bei meinem Geruch drehte er den Kopf und sah mich an.
    Da war er und sah mich an.
    Alles blieb stehen. Er erkannte mich, kannte mich, wollte mich. Diese sofortige Bereitschaft, wieder von vorn anzufangen, war entsetzlich, nichts anderes zählte, er vergab mir vollständig, wenn ich nur kommen und ihn endlich holen würde. Bis zu diesem Augenblick hatte ich mir selbst nicht erlaubt, seine Rückholung als etwas anderes anzusehen als ein Problem, das ich zu lösen hatte. Ich hatte mir niemals vorgestellt, ihn neben seine Schwester ins Bettchen zu legen. Ich hatte mir das Danach niemals vorgestellt. Sich das Danach vorzustellen wäre eine Aufforderung an jenen Gott gewesen, den es nicht gibt, die Dinge schon im Davor scheitern zu lassen. Nun, zehn Meter von ihm entfernt, wusste, ich, etwas von der Größe eines Ozeans kippte hinter mir, wollte fallen. Es war, wie der Tod, schon die ganze Zeit da gewesen.
    KEINE ANGST. ICH VERLASSE DICH NICHT.
    Wie merkwürdig, zu wissen, dass es stimmt. Ich würde ihn nicht verlassen. Ein überraschendes Herzensgeschenk. Ich lächelte, auch wenn nur ein anderer Werwolf das erkennen konnte.
    »Talulla«, sagte Jacqueline und lächelte, während die Vampire in meiner nächsten Nähe trotz ihres lächerlichen Streifens Paste vor mir zurückwichen. »Willkommen. Und sei es aus keinem anderen Grunde, dass ich nun genau weiß, wo Sie sind.« Sie trug eine enge schwarze Wildlederhose und eine schwarze Seidenbluse. Wie schon zuvor hatte sie sich das rote Haar hitlermäßig angeklatscht. Lebhafte grüne Augen und präzises, bezauberndes Make-up. Neben ihr stand ein großer, schlanker, recht hübscher männlicher Vampir. Er war vor wer weiß wie langer Zeit mit Anfang dreißig verwandelt worden. Dunkle Haare, schulterlang, ein fein geschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen – und Augen, die einen erstarren lassen konnten: blass silbriggrün, voller verzeihenden Allwissens. Er hätte Jesus spielen können. Er war barfuß, trug ein seidenes, indisch wirkendes Ensemble, lange Kurta mit Nehru-Kragen und weite Hose, an den Knöcheln gerüscht. Ich dachte an das, was Mia gesagt hatte: »Da ist etwas Wahres. Sehr Altes. Ich weiß nicht.« Sehr alt. Ich konnte es spüren. Sonnenlicht in einem römischen Innenhof. Der Geruch von Sklaven und Staub. Große Steine werden aufgeschichtet.

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