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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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mit ihm zum gegebenen Zeitpunkt des Monats einen mondbeschienenen Spaziergang. Wenn wir heute in den Wald gehen … War da allerdings nur noch das kleine Problem, wie sich seine Gefühle für mich veränderten, wenn ihm klar wurde, dass er sich bei jedem Vollmond in ein Ungeheuer verwandeln, jemanden in Stücke reißen und verspeisen musste. ›Ich weiß, du hasst mich für das, was ich dir angetan habe, aber vertrau mir, wenn du erst mal dieses Vögeln Töten Fressen erlebt hast, wirst du mir dafür dankbar sein‹ … Kein guter Anfang für eine Beziehung. Aber welche Alternative gab es? Meine Libido war eingegangen, aber ihre Auferstehung war nur eine Frage der Zeit. Wem wollte ich denn vormachen, dass ich es die nächsten vierhundert Jahre praktisch – nach Werwolfmaßstäben – zölibatär schaffen würde.
    »Das ist nicht das Problem, Lulu«, hörte ich meine Mutter sagen. »Das Problem ist, einen Mann zu finden, der es wert ist, gebissen zu werden …«
    Ich zitterte jetzt so sehr, dass ich das Tagebuch nicht mehr still halten konnte. Ich legte es beiseite und kroch ins Bett, meine Hände waren geschwollen, Krämpfe schnatterten durch meinen Körper. Zufällige Erinnerungen detonierten: Ich liege mit dem Gesicht auf der Treppe in Brooklyn und beobachte eine Biene, die aus einer Pfütze vergossene Pepsi trinkt; meine Mutter lacht über etwas Erwachsenes; meine erste Periode, das warme Tröpfeln wie eine große Träne, aber als ich meine Finger dort hinführte, war es Blut, und Mrs Herschel meinte mit rauchiger, schwesterlicher Stimme: »Nun bist du eine junge Dame, Talulla«, und ich musste an Lady Diana und den unheimlichen, segelohrigen Prinz Charles denken.
    »Es ist so weit«, sagte Cloquet, der in der Tür stand.
    »Ich weiß.«
    »Wie beschlossen?«
    »Ja.«
    Wie beschlossen. Wir hatten gar nichts beschlossen. Wir hatten hypothetische Überlegungen angestellt. Draußen würde es leichter zu bewerkstelligen sein. Wir sollten nicht vergessen, dass wir Beruhigungsmittel hatten. Es wäre besser, ich würde als Erste hinausgehen. Hinter diesen Überlegungen steckten nackte Tatsachen: Cloquet würde dem Mädchen ein Beruhigungsmittel geben. Ich würde in den Wald gehen. Er würde sie herausbringen und festbinden. Ich würde aus dem Dunkeln kommen und sie schnell umbringen. Zumindest so schnell, wie es der Hunger verlangte.
    Bei dem Gedanken daran tat Wolf einen fordernden Ruck, der mich fast aus dem Bett warf.
    »Du solltest besser gehen«, sagte ich. Meine Uhr sagte 16.42. Der Mond ging um 17 Uhr 11 auf. Noch neunundzwanzig Minuten. Ich fragte mich, ob Kaitlyn wach war. Was für ein Leben ließ sie hinter sich? Niemand, der sich einen Dreck für mich interessiert, hat Geld. Die sauer riechenden Jeans, der abgeblätterte Nagellack und der Versuch, die Verachtung der Kerle nicht zu sehen, selbst wenn sie ihren Kopf hielten und laberten: »Oh ja, Baby, so ist gut, genau so«, man spürte einfach, dass dahinter Verachtung steckte – aber der Hunger unterbrach meine Gedanken mit einem aufblitzenden Bild ihrer punktierten Taille, und das weiche helle Fleisch öffnete sich in hilfloser Ergebenheit (das Wort ›flensen‹ kam mir in den Sinn, dabei war ich mir nicht mal sicher, ob ich genau wusste, was das hieß), und ich konnte nicht mehr stillliegen, stand auf, stolperte auf sehnenlosen Knien nach unten und sah Cloquet dabei zu, wie er das Betäubungsmittel auf die Spritze zog; wir konnten uns nicht mehr richtig in die Augen schauen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er. Ich stand in der Tür und war ganz schwer von den elenden Grundforderungen meiner Bedürfnisse. Manchmal widersprach mir noch meine alte Stimme im Kopf. Das kannst du nicht machen. Das ist das Schlimmste. Du musst damit aufhören. Meine alte Stimme war eine Maschine, die nichts von ihrer Überalterung wusste. Denn während sie sprach, sagte die neue Stimme eloquenterweise gar nichts, weil sie wusste, dass sie nichts sagen musste, weil der Streit bereits entschieden war. Außerdem war es nicht das Schlimmste, Kaitlyn umzubringen. Ich wusste, was das Schlimmste war, seit der Nacht, als ich Delilah Snow begegnet war.
    »Bestens«, antwortete ich. Er hatte mir Decken auf die Couch gelegt. Damit ich etwas zwischen mir und der Kälte hatte, wenn ich mich auszog. Die praktische Seite hatte Bestand, wie die Biologie.
    »Ich gehe jetzt nach unten«, sagte er sanft. Mir zuliebe. Damit ich nett zu mir war und mir nicht Gedanken machte wegen des

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